An Allerheiligen wird der Toten gedacht, viele gehen auf den Friedhof. Simon und Stephan Weber aus Weinstadt sind das ganze Jahr oft dort: sie designen individuelle und nachhaltige Grabmale.

Rems-Murr: Simone Käser (sk)

Weinstadt - Manche Menschen haben einen leeren Wasserkasten im Kofferraum, oder ein paar Einkaufstüten. Vielleicht auch Schuhe zum Wechseln, wenn das Wetter umschlägt. Simon Weber fährt einen Grabstein spazieren. Den hat er immer dabei. Nicht irgendeinen, sondern einen selbstgestalteten zu Vorführzwecken. Mit seinem Bruder Stephan ist der 37-Jährige vor drei Monaten – mitten in der Pandemie – mit dem Start-up „Anders andenken“ online gegangen.

 

Gemeinsam entwerfen die beiden statt traditionellen Grabmälern aus Granit individuell gestaltete aus Metall, Glas oder auch recycelten Kunststoffen. „Wir möchten, dass die Grabkultur unserer modernen und bunten Gesellschaftskultur gerecht wird. Deshalb wollen wir Andenken besonders unter dem Aspekt der nachhaltigen und regionalen Produktion neu gestalten“, sagt Simon Weber. Der Umgang mit dem Tod habe sich verändert und die Bestattungsarten seien vielfältiger geworden. Hier wollen Simon und Stephan Weber mit ihren Modellen ansetzen.

Opas Tod war der Gründungsanlass

Der Grund für die Beschäftigung mit dem Thema war ein schmerzlicher. Der Opa der Brüder starb vor sechs Jahren. Weil sie ihre Kindheit quasi in seiner kleinen Werkstatt in Weinstadt-Strümpfelbach verbrachten und dem Opa eng verbunden sind, war ihnen schnell klar, dass zu dem leidenschaftlichen Metallbauunternehmer kein Stein aus Granit passen würde. „Er hat sich 60 Jahre mit Metall beschäftigt, da wäre was anderes nicht gegangen. Wir fragten bei der Friedhofsverwaltung nach, und die waren sehr offen für neue Ideen“, sagt Simon Weber. Also wurde als Familienprojekt eine Erinnerungstafel aus Stahl und Bronze gefertigt und damit auch Trauerarbeit geleistet.

Die Brüder waren zufrieden mit ihrer Aktion und ziemlich baff, als sie nach kurzer Zeit weitere individuelle Grabsteine auf dem Strümpfelbacher Friedhof stehen sahen. „Die Leute hatten Interesse und kopierten unsere Idee. Da haben wir gesehen, dass wir mit unserer Alternative zum normalen Natursteingrabmal einen Nerv getroffen haben und fingen an, uns näher mit der Materie zu beschäftigen.“

Friedhofsbummel statt Stadtbummel

Heißt: Statt eines Stadtbummels stand für Simon und Stephan Weber künftig Friedhofsbummeln auf dem Programm. Schließlich mussten sich die Unternehmer ein Bild darüber machen, wie die Friedhöfe so aussehen. „Unsere Partnerinnen haben uns unterstützt und waren froh, dass sie uns endlich zum Spaziergang kriegen“, sagt der 34-jährige Stephan Weber, der sich als Maschinenbauingenieur genau wie sein Bruder, der Architekt ist, bereits sein ganzes Berufsleben mit Konstruktion und Design beschäftigt.

Das zweite Standbein nahm schnell Formen an. Das Büro befindet sich im Stuttgarter Süden, wo beide wohnen. Die kleine Dreherei und Fräserei des Opas in Strümpfelbach nennen die Start-up-Gründer ihr „Labor“. Bestellt ein Kunde einen Grabstein, eine Grabtafel oder eine Abdeckung aus Metall, wird sie von Simon und Stephan Weber sowie Constantin Baum, der die Brüder in Vertrieb und Marketing unterstützt, individuell gestaltet. Die Fertigung findet außer Haus statt, „aber das Finish liegt dann wieder bei uns“, sagt Stephan Weber, dem es wichtig ist, weg von der eintönigen und grauen hin zu einer bunten Grabkultur zu kommen.

Edelmetalle, Recycling-Glas und Kunststoffe

Die Brüder verwenden Edelmetalle, aber auch unkonventionelle Materialien wie Recycling-Glas und Kunststoffe. Durch neuartige Schneid- und Drucktechniken werden die Materialien geformt und gestaltet. Dabei können auch Fotos der Verstorben oder Gedichtauszüge Verwendung finden. „Gerade die Kolumbariumplatte, also die Abdeckung einer Urnenwand, ist gefragt und kann sehr schön individuell gestaltet werden“, sagt Simon Weber. Auch die Anfragen bei der jeweiligen Friedhofsverwaltung gehöre zum Gesamtpaket. Dieser Tage fahren die Brüder nach Dresden, um dort ein Grabmal aufzustellen. Ihre Produkte können aber auch verschickt und von den Kunden aufgebaut werden. „Manche brauchen das zur Trauerarbeit, andere haben Berührungsängste.“

Grundsätzlich müssten die Friedhöfe mitspielen. Auch Gärtnereien könnten beauftragt werden. Die Start-up-Gründer rennen bei Bestattern mit ihren Ideen augenscheinlich offene Türen ein. „Schlicht und mit Farbe muss es sein. Keine teuren grauen Klötze und nicht so opulent. Das gefällt vielen“, sagen beide.