Sindelfingen Die Nazis planten ein gigantisches Jugendheim

Die geplante Anlage hatte riesige Ausmaße: Die Hitlerjugend sollte in den 40er Jahren in Sindelfingen 24 Gruppenräume bekommen, plus einer Festhalle.
Sindelfingen - Als die Sindelfinger beschlossen, mit dem Bau ihres Hitlerjugendheims bis zum Endsieg zu warten, war schon ziemlich klar, dass es dieses Heim niemals geben würde. In den Jahren 1936 bis 1939 hatte das allerdings noch ganz anders ausgesehen.
Das projektierte Hitlerjugendheim ist der Gegenstand des Monats Mai im Sindelfnger Stadtmuseum. Das Museum befasst sich von September 2019 bis Mai 2025 unter dem Titel „Vor 80 Jahren – Sindelfingen im Krieg“ mit der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Dazu wird monatlich ein Objekt oder Thema in den Mittelpunkt gestellt, das vor 80 Jahren relevant war und auf das analog im Stadtmuseum Bezug genommen wird.
Die 640 Sindelfinger Jugendlichen waren in der Stadt verstreut
So entsteht eine Reihe mit 69 Beiträgen, die allmonatlich Blitzlichter auf die Zeit von September 1939 bis Mai 1945 auf lokaler Ebene wirft. Ausgestellt wird ein Plan und ein Brief zum Bauvorhaben im Sindelfinger Eichholz an der heutigen Wolfstraße. In den Jahren 1936 bis 1939 hatte sich die Hitlerjugend (HJ) in kurzer Zeit zu einer Millionenorganisation entwickelt. Auch der Anteil der in der HJ organisierten Schüler der Sindelfinger „Adolf-Hitler-Oberschule“, des heutigen Goldberg-Gymnasiums war zwischen 1936 und 1939 von 64 auf 99 Prozent gestiegen, wie Oliver Weth, vom Sindelfinger Kulturamt recherchiert hat. Aufgrund ihres rasanten Aufstiegs nutzte die HJ reichsweit vor allem Notunterkünfte. Auch die 640 Sindelfinger Jungen und Mädchen, die im Frühjahr 1939 in der HJ organisiert waren, waren über mehrere Standorte verteilt, in Schulen, Waldhütten und einer Sporthalle.
Heute ein Altenpflegeheim
Diese dezentrale Unterbringung in Gebäuden des „alten Systems“ war der Reichsjugendführung ein Dorn im Auge. Daher erklärte sie das Jahr 1937 zum „Jahr der Heimbeschaffung“. Diese Aktion fand auch in Sindelfingen Widerhall, denn im Oktober 1937 ging bei der Stadtverwaltung eine Bauplatzanfrage der HJ ein. In der Gemeinderatssitzung vom 30. Mai 1940 präsentierte der Bürgermeister erste Entwürfe des beauftragten Architekten Ernst Dobler aus Stuttgart.
Die geplante Anlage hatte riesige Ausmaße: 24 Gruppenräume, vier Gefolgschaftsräume und eine Festhalle. Als im Kriegsverlauf ein Baustopp verordnet und der Architekt zum Kriegsdienst eingezogen wurde, beschloss die Stadtverwaltung allerdings, das Projekt erst nach siegreicher Beendigung des Krieges fortzuführen. Die Ironie der Geschichte: Wo das Jugendheim hätte stehen sollen, residieren nun ältere Menschen. Auf dem Bauplatz steht heute das Altenpflegeheim „Haus Eichholzgärten“.
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