Heute strömen tägliche unzählige Kunden zum Einkaufen ins Sindelfinger Breuningerland. Vor 60 Jahren gab es an dieser Stelle nur Äcker und Wiesen.

Sindelfingen - Wie enorm die Stadt Sindelfingen (Kreis Böblingen) nach dem Zweiten Weltkrieg gewachsen ist, wie sehr sie wirtschaftlich prosperierte, zeigen besonders gut zwei Luftaufnahmen – eine von damals, eine von heute. Neben dem Daimler-Werk im Südwesten der Stadt, das sich in den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls stark ausgedehnt und den Wirtschaftsstandort geprägt hat, hat auch der Osten peu à peu ein neues Gesicht erhalten.

 

Wo in den 50er Jahren Wiesen und Äcker waren, die sprichwörtliche Naturidylle herrschte, ist gleichsam als Gegenentwurf zur Automobilproduktionsstätte ein Einkaufsmekka entstanden, das den gesamten Einzelhandel im Einzugsgebiet beeinflusst: das Breuningerland. Nördlich der Mahdentalstraße kam ein neues Wohngebiet hinzu: die Viehweide. Damit aber nicht genug: Als Attraktion für Publikum nicht nur aus der Region, sondern weit über die Landesgrenzen hinaus hat sich ein Familienbetrieb entwickelt: die Sindelfinger Messe.

3000 kostenlose Parkplätze stehen den Kunden zur Verfügung

Gustel Hohenstein stieg ins Messegeschäft im Jahr 1973 ein. 1992 wurde dessen Sohn Ralph Geschäftsführer. Das Grundstück hatte der Vater von der Stadt Sindelfingen erworben. Zunächst herrschte Skepsis darüber, ob er sich mit seinem Unternehmen auf Dauer über Wasser halten könne. Inzwischen blickt Ralph Hohenstein auf erfolgreiche Jahre mit Umsätzen von mehr als vier Millionen Euro. Die Messe Fisch & Reptil boomte zuletzt mit 15 000 Besuchern, ebenso die jährlich stattfindende Briefmarkenbörse mit 10 000 Gästen, obwohl die Zahl der Hobby-Sammler und der Händler schrumpft. Die Messen sind vor allem wegen ihrer Überschaubarkeit beliebt.

Hohenstein behauptet sich mit seinen 30 Mitarbeitern und den 8000 Quadratmeter Fläche gegen die Messe Stuttgart, weil er mit seinem Zuschnitt kostengünstig wirtschaften kann und Nischen nutzt, die für die große Konkurrenz unrentabel wären. Er veranstaltet auch die Kunst & Antik, die ebenfalls sehr gut besucht ist.

Tausende von Menschen strömen täglich auch in das Breuningerland, das nach einem Rechtsstreit nun um rund 10.000 Quadratmeter Verkaufsfläche auf 42.000 Quadratmeter erweitern darf. Die Firmenchefs reagieren damit auch auf die Konkurrenz, die mit dem Einkaufszentrum Mercaden in Böblingen sowie mit den Shoppingmalls Milaneo und dem Gerber in Stuttgart entstanden ist. 3000 kostenlose Parkplätze stehen den Kunden zur Verfügung, die sich in mehr als 120 Läden eindecken können mit allem, was ihr Herz begehrt – wenn es denn der Geldbeutel zulässt. Stärken können sie sich in Restaurants und Cafés.

Äcker und Wiesen verkauft

Nach Angaben von Friedemann Böttiger, dem Sindelfinger Leiter des Baurechts- und Vermessungsamts, hat es auch schon eine gerichtliche Auseinandersetzung um die Ansiedlung des Breuningerlands in den 1970er Jahren gegeben. Damals hatte die Firma westlich des heutigen Breuningerlands ihr Zentrallager, unweit der damaligen Ortsumfahrung von Böblingen, die im Jahr 1978 zur Autobahn 831 heraufgestuft und im Jahr 1985 zur heutigen A 81 ernannt wurde. Die Stadt hatte zum Bau des Breuningerlands etliche Äcker und Wiesen verkauft. Um die Pläne zu durchkreuzen, hatten Böblinger Bürger ebenfalls Grundstücke erworben und gegen das Umlegungsverfahren in den Gewannen Hintergärten/Siedlen sowie Schweinäcker Widerspruch eingelegt, weil sie die Konkurrenz für den Böblinger Einzelhandel fürchteten. Der Streit endete vor dem Bundesgerichtshof mit dem Ergebnis: Die Böblinger mussten ihre Grundstücke zur Verfügung stellen. Im Jahr 1978 konnte Breuninger dann mit dem Bau beginnen und das Einkaufsmekka 1980 eröffnen. Das Areal umfasst heute 6,8 Hektar plus ein Parkdeck mit 1,5 Hektar, das später noch hinzukam.

Sindelfingen-Ost als Mode-Standort

In den vergangenen Jahrzehnten hat sich Sindelfingen-Ost auch zu einem Mode-Standort entwickelt: Westlich der Messe sind seit dem Jahr 1970 die vier Häuser der Konfektion mit zahlreichen Modemarken entstanden. In ihnen gibt es rund 250 Showrooms auf insgesamt 31 500 Quadratmeter Ausstellungsfläche. Zudem siedelten sich das Haus der Mode und das Euro Fashion Center an.

Noch weiter westlich (auf dem Luftbild von 2015 nicht mehr zu sehen) hat Hofmeister ein großes Möbelhaus gebaut. Die Firma Bitzer errichtet einen 70 Meter hohen Büroturm. Aus dem Boden geschossen sind auch die Wohnblocks auf der Viehweide – nach dem Zweiten Weltkrieg fanden dort zahlreiche Zugereiste ein Dach über dem Kopf. Inzwischen leben jenseits der Mahdentalstraße 3500 Menschen.