Der Skandal um fiktive Corona-Impfungen in Arztpraxen zieht in Rumänien immer größere Kreise. Was steckt dahinter?

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

BELGRAD/BUKAREST - Das merkwürdige Phänomen vermochten sich die Ärzte in der Covid-Klinik im Viktor-Babes-Krankenhaus im rumänischen Temeswar (Timisoara) zunächst kaum zu erklären. Vermehrt hatten sie in den letzten Wochen infizierte Patienten zu behandeln, die trotz erhaltener Covid-Impfung einen ungewohnten schweren Krankheitsverlauf aufwiesen. „Wir fragen uns, ob diese Leute wirklich geimpft worden sind. Und wir befinden uns in der Lage, dass wir nicht wissen, wie wir diese Menschen angemessen behandeln sollen, um ihr Leben zu retten“, berichtete Krankenhausdirektor Christian Oancea letzte Woche gegenüber dem Webportal „Tion.ro“ „Es handelt sich um mehr als nur um einige Fälle.“

 

Erst 27,3 Prozent aller Rumänen haben sich bis zum 30. August zumindest einmal impfen lassen. Kein Land außer Bulgarien (15,8 Prozent) weist in der EU (durchschnittlich 64,5 Prozent) eine geringere Impfquote als der Karpatenstaat auf.

Korrupte Ärzte stellen Impfzertifikate aus

Zwei Millionen an verabreichten Impfdosen stehen fast eine Million ungenutzter Impfdosen gegenüber, die Rumänien kurz vor Verfallsdatum bereits an andere Staaten gespendet oder weiterverscherbelt hat. Der Skandal um die sogenannten Waschbeckenimpfungen zieht in Rumänien immer größere Kreise. Der Verdacht ist ungeheuerlich, doch scheint sich bei den mittlerweile angelaufenen Justizermittlungen zu bestätigen: Korrupte Familienärzte stellen auf Bitten ihrer Patienten für Auslandsreisen benötigte Impfzertifikate aus – und verspritzen das Serum in den Ausguss.

Es sei in Rumänien von zwei Methoden bei der illegalen Ausstellung fiktiver Impfzertifikate die Rede, bestätigte in einem Interview mit dem TV-Sender B1 der Staatssekretär Raed Arafat. Einerseits seien bereits mehrere Fälle von Manipulationen der Database des zentralen Impfregisters durch korrupte Mitarbeiter im Gesundheitssektor aufgedeckt geworden. Andererseits hingegen sei es schwerer, die Fälle fiktiver Impfungen nachzuweisen, bei denen Impfdosen in den Ausguss verspritzt worden seien.

Viele Rumänen gehen ein hohes Risiko ein

Mittlerweile haben Rumäniens Gesundheitsbehörden bereits 370 zweifelhafte Impfbestätigungen zur Überprüfung an die Justiz weitergeleitet. Die Fälle dürften nur die Spitze eines Eisbergs sein. Die Leute würden vergessen, dass sie mit ihren 100 Euros nicht nur für das Risiko zu erkranken bezahlten, sondern auch für das Risiko, in der Intensivklinik zu landen und zu sterben, ärgert sich Valeriu Gheorghita, der Koordinator des nationalen Impfprogramms.