Trotz kurzer Vorbereitungsphase fährt der deutsche Skirennläufer Felix Neureuther eine starke Saison. Seinen Vater Christian hat er im Ranking jetzt überholt.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Felix Neureuther ist ein lustiger Geselle. Ein Blick auf seine Bilderstrecke im Internet verrät, dass der Sohn von Rosi Mittermaier und Christian Neureuther als rechter Lausbub durchgeht und überwiegend Unfug im Sinn führt. Das macht ihn sympathisch. Der Bursche aus Garmisch nimmt sich und das Leben nicht so ernst. Unvergessen ist der Moment bei der Ski-WM in Are 2007: Als er im zweiten Durchgang des Slaloms ausgeschieden war, stürmte er als gestrauchelter Favorit auf die Tribüne und schenkte der Kronprinzessin Viktoria sein Startnummernhemd – als schönes Stück Erinnerung.

 

Vor dieser Saison war Neureuther beim Medientag am Mölltaler Gletscher ausnahmsweise mal nicht so gut drauf. Man könnte auch sagen: er hing ein bisserl da wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Eine völlig verkorkste Operation am Knöchel verhinderte, dass der 29-Jährige pünktlich mit dem Training beginnen konnte – ausgerechnet vor dem Olympiawinter fehlte ihm mehr als die Hälfte der Vorbereitung.

Sein Start beim Saisonauftakt stand lange auf der Kippe. Auch Rückenprobleme narrten den Deutschen im Jahr 2013 immer wieder. Außerdem hat er sich vor wenigen Wochen bei einem Trainingssturz einen Kapsel- und Sehnenriss am Daumen zugezogen. „Ich muss jetzt bis Ende Februar durchhalten. Nach Olympia werde ich dann wohl an der Hand operiert“, lautete seine traurige Prognose. Die Schiene für den lädierten Daumen hat er nach nur einem Tag weggeworfen. Nun verhindert lediglich einen straffer Tapeverband, dass das „Ding“, wie Neureuther seinen Daumen nennt, allzu sehr herunterhängt.

Es stellt sich seit wenigen Tagen jedoch die Frage, was eigentlich mit dem Skifahrer aus Garmisch los ist. Er siegt und siegt, fährt die Saison seines Lebens – trotz des maladen Daumens und schwieriger Vorbereitung. Die Experten sind sich derweil einig: so gut war Felix Neureuther noch nie. Im Herbst seiner Karriere gibt er richtig Gas. Am 6. Januar gewann der lebensfrohe Bayer den Slalom in Bormio, zuletzt den Riesenslalom in Adelboden. Innerhalb einer Woche holte er zwei seiner insgesamt sieben Weltcupsiege – Neureuther ist die große Überraschung der Saison.

Der König des Einfädelns ist stabiler geworden

Beim Slalom in Adelboden fiel der Deutsche dann allerdings in längst überwunden geglaubte Verhaltensmuster zurück. Da war er wieder, der König des Einfädelns, wie die nörgelnden Experten Neureuther vor allem im Hinblick auf die ersten Jahre seiner Laufbahn immer nannten. Als Zweitschnellster des ersten Durchgangs fädelte er im zweiten Lauf ein. So wie früher. Egal: „Das am Samstag war unbeschreiblich, daran ändert auch der Einfädler heute nichts“, sprach Neureuther.

Der Winter läuft dennoch prächtig. Neureuther, der vor der Saison noch dreinblickte, als würde er nach Sotschi seine auch von körperlichen Problemen geprägte Karriere am liebsten beenden, ist erstaunlich stark unterwegs. Plötzlich fährt er wie der Teufel. Aggressiv und zugleich kontrolliert im Slalom, neuerdings aber auch beeindruckend souverän im Riesentorlauf – dabei galt die schnellere der beiden technischen Disziplinen noch vor wenigen Jahren als sein Hauptproblem. Und nun? Seit Adelboden hat Felix Neureuther einen Weltcupsieg mehr als sein Vater Christian auf dem Konto. Überdies haben deutsche Skifahrer seit 40 Jahren im Riesenslalom nichts mehr geholt – am 2. März 1973 gewann Max Rieger letztmals in dieser Disziplin einen Weltcup. Außerdem ist Neureuther nach seinen Weltcupsiegen sechs und sieben in der vergangenen Woche nun mit Armin Bittner zusammen der zweiterfolgreichste Skifahrer in der Verbandsgeschichte. Nur Markus Wasmeier steht mit neun Erfolgen noch vor ihnen.

Wasmeier muss um seinen Nimbus fürchten

Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, wann Neureuther auch den „Wasi“ hinter sich lässt. Vermutlich hätte er das schon früher geschafft – denn allzu oft wurde seine Karriere durch Verletzungen gestoppt oder sie litt an seiner unkonstanten Fahrweise. Von dem Lapsus im Slalom von Adelboden einmal abgesehen – in dieser Form ist er mit dem Sieger Marcel Hirscher in Sotschi der große Favorit auf Slalom-Gold. Und vielleicht auf eine Medaille im Riesentorlauf. Wer hätte das vor der Saison gedacht? Neureuther wohl am wenigsten. Er hätte eine solche Prognose bestenfalls für einen Witz gehalten.