300 Tage ist Mikaela Shiffrin kein Skirennen mehr gefahren. Beim Comeback in Levi wird sie am Samstag Zweite und am Sonntag Fünfte. Beide Rennen gewann ihre Rivalin Petra Vhlova.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Stuttgart - Die Rückkehr von Mikaela Shiffrin auf die Weltcup-Bühne wurde begleitet von Tränen. Es waren die Tränen des Glücks und großer Erleichterung, die die Amerikanerin in Levi nicht zurückhalten konnte. Vor allem am Samstag beim ersten von zwei Slalom-Weltcups in Finnland war das so. Da wurde sie Zweite, und gerade deshalb brach es aus ihr auch so heraus. „Ich bin happy, das hat richtig Spaß gemacht“, sagte die Skirennläuferin, während ein paar Tränen unter ihre Maske flossen. Am Sonntag wurde Shiffrin dann Fünfte und postete im Internet eine Botschaft zu ihrer Mutter Eileen. „Sie ist der einzige Grund, warum ich hier bin!“

 

Normalerweise gewinnt Mikaela Shiffrin solche Rennen auch, aber die vergangenen 300 Tage haben in ihrem Leben vieles verändert. Der plötzliche Unfalltod ihres Vaters Jeff Anfang Februar warf die angehende Rekordfrau, die mit nur 25 Jahren imposante 66 Weltcup-Siege verbucht, so sehr aus der Bahn, dass ein Karriereende wahrscheinlicher war als die Rückkehr zur Normalität. Shiffrin sagte einige Rennen ab. Danach brach dann die Corona-Pandemie aus. Der US-Star präsentierte sich in dieser schweren Phase ihres Lebens häufig in den sozialen Medien. Sie führte Gespräche mit Freunden oder anderen Sportlern in ungewöhnlicher Offenheit, sprach über dieses und jenes, es war ein bisschen auch ihre Art, mit der Trauer und den Problemen dieser Welt umzugehen. Sie breitete ihre Gefühlswelt erstaunlich offen aus.

Die Überredungskünste der Mutter

Dass die Rennläuferin in Levi an den Start ging, das hat sie tatsächlich ihrer Mutter zu verdanken. Über Monate hinweg trauerten die beiden. Doch Eileen Shiffrin konnte ihre Tochter davon überzeugen, jetzt nicht alles aufzugeben, was sie sich erarbeitet hatte. Die Olympiasiegerin und Weltmeisterin war offenbar schon auf der Suche nach anderen Werten und neuen Zielen. Die Ergebnisse in Levi haben sie nun davon überzeugt, dass es besser war, auf ihre Mutter zu hören und weiterzumachen. „Du und ich (...) wir haben es hierher geschafft. So weit. Wir machen es (...) und zwar verdammt gut“, schrieb Shiffrin ihrer Mutter für alle Fans und Freunde und Medienvertreter sichtbar im Internet: „Aber das Wichtigste ist: Wir machen es zusammen. Ich liebe dich, Mom!“

Mikaela Shiffrin inszeniert ihr persönliches Befinden außergewöhnlich offen. Sie gibt indirekt Auskunft darüber, wie tief ihre Beziehung zu ihrem Vater war und wie tief sie zu ihrer Mutter ist. Die Eltern haben die Rennläuferin jahrelang begleitet. Vor allem der Vater war eine ganz besondere Bezugsperson. Was ihr in Levi gefehlt habe, so Shiffrin, seien die aufmunternden SMS-Nachrichten ihres Vaters gewesen, während sie beispielsweise oben im Starthaus auf ihren Einsatz wartete.

Es fehlt noch ein bisschen

Nun muss sich die Rennläuferin neu orientieren und neue Rituale finden. Vor allem aber muss sie sportlich noch eine Schippe drauflegen, will sie die derzeit überragende Slalomläuferin Petra Vhlova wieder einfangen. Die hochgewachsene Slowakin gewann in Levi beide Slalomrennen, es waren ihre Weltcupsiege 14 und 15, auch sie ist 25 Jahre alt und ausgestattet mit einem enormen Ehrgeiz; ganz so wie Mikaela Shiffrin. Schon im vergangenen Winter verlor die Amerikanerin den Nimbus der Unbesiegbarkeit – vor allem im Duell mit Petra Vhlova.

Der ARD-Experte Felix Neureuther hate beobachtet, dass Shiffrin „noch nicht ganz die Alte“ war bei ihren Auftritten in Levi. Sie ist noch nicht volles Risiko gegangen und wirkte etwas zaghaft. Aber das kommt schon wieder. Wichtig war, dass sie zurück ist und ihre Erfolge fortsetzen kann. Alle Welt wartet auf zwei Tage: der, an dem Shiffrin den Frauen-Rekord von Lindsey Vonn knackt, die 82 Weltcuprennen gewann. Und den Tag, an dem sie auch die Ski-Ikone Ingemar Stenmark (86 Siege) hinter sich lässt. Wie auch immer: Ungeachtet ihrer Levi-Ergebnisse sagte Neureuther über Mikaela Shiffrin auch das: „Sie ist technisch so eine Augenweide – es macht einfach Spaß ihr zuzuschauen.“

Es war allerdings nicht das einzige Mal, dass Neureuther den Begriff „Augenweide“ verwendete. Beim zweiten Mal ging es um Petra Vhlova.