Severin Freund hat kaum noch eine Chance, die Vierschanzentournee zu gewinnen. Peter Prevc ist der überragende Skispringer dieser Tournee.

Innsbruck - Severin Freund hatte alles versucht. Er riskierte viel, drohte zu scheitern und setzte seinen großen Konkurrenten Peter Prevc noch extrem unter Druck. Am Ende musste er ihm jedoch anerkennend applaudieren. Freund stand in der grauen Box des aktuell Führenden und gerade war der letzte Springer des Wettkampfs gelandet: Prevc. Im zweiten Durchgang war Freund ein grandioser Sprung auf 128 Meter gelungen. Doch Prevc toppte selbst das noch einmal: Er flog auf 132 Meter. So gewann der Slowene am Sonntag in Innsbruck das dritte Springen der Vierschanzentournee vor Freund und dem Norweger Kenneth Gangnes.

 

Zugleich schaffte Prevc mit seinem zweiten Erfolg nach Garmisch-Partenkirchen eine Vorentscheidung im Kampf um den Tournee-Gesamtsieg. Er führt nun mit 19,7 Punkten vor Freund. Umgerechnet sind dies etwa elf Meter. Obwohl Freund mit Platz zwei sein bestes Ergebnis an der Bergisel-Schanze erreicht hatte, hakte er angesichts dieses großen Rückstands die Gesamtwertung bereits ab. „Da bräuchte es schon ein Wunder in Bischofshofen, oder ein Missgeschick – und das wünsche ich keinem“, sagte der 27-Jährige. Als Zweiter der Tournee-Wertung steuert er jedoch auf sein mit Abstand bestes Ergebnis bei der Traditionsveranstaltung zu.

„Es war ein super guter Wettkampf, besonders mit meiner Vorgeschichte“, sagte Freund nach einem für ihn turbulenten Tag. Denn bei seinem Trainingssprung vor Beginn des offiziellen Wettbewerbs gab es bereits den ersten großen Aufschrei im Publikum. Freund war auf überragende 129 Meter gesprungen. Doch bei der Landung war ihm der linke Ski weggerissen. Er stürzte und knallte mit dem Hinterkopf auf den Schnee. Umso lauter war kurz danach der Jubel, als der Stadionsprecher verkündete: Severin Freund werde starten, er habe nur etwas Kopfweh.

Schwierige Bedingungen bei starkem Rückwind

„Ich hatte danach gar keine Zeit, viel darüber nachzudenken“, berichtete der Bayer später. Tatsächlich hatte er den Sturz gut verdaut. Im ersten Durchgang flog er acht Springer vor Prevc von der Schanze, musste also vorlegen – und er tat dies auf beachtliche Weise. Bei schwierigen Bedingungen mit starkem Rückenwind landete er bei sehr guten 122,5 Metern. Aber Prevc konterte schon diesen Sprung. Er landete bei 125 Metern und hatte dabei sogar noch schlechtere Bedingungen als Freund. Prevc gewann den ersten Durchgang vor Gangnes, gleich dahinter reihte sich Freund ein.

Die besondere Stimmung am Bergisel steigerte sich von Minute zu Minute. Wie von einem Katapult geschossen, tauchen die Springer dort über dem Hang auf, gleiten ganz nah an den Zuschauern in den Talkessel hinab und schnellen dann wieder den steilen Gegenhang hinauf. Zum Zweikampf zwischen Freund und Prevc kam eine Art Duell zwischen den 22 500 Fans im ausverkauften Stadion, das sich die Deutschen und die Österreicher lieferten. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren waren mehr Deutsche nach Innsbruck gekommen, die ordentlich Lärm machten.

Außerdem herrschte zum ersten Mal bei der Tournee Winteratmosphäre. In der Nacht auf Sonntag hatte es geschneit. Die gesamte Umgebung der Schanze sah bei Sonnenschein wie mit Puderzucker bestreut aus – und es war echter Schnee.

Kritik am Veranstalter wegen Schanzenhanges

„Dieser Tag tut allen gut“, bilanzierte Bundestrainer Werner Schuster. Neben Freund überzeugten auch die anderen Deutschen. Andreas Wellinger kam auf Platz sechs, Andreas Wank wurde Neunter und Vorjahressieger Richard Freitag Zehnter. Stephan Leyhe landete auf Rang 21. „Wir haben das als Team moralisch gut durchgezogen“, sagte Schuster. Besonders lobte er Freund: „Ich bin sehr stolz auf ihn. Sein Sturz hätte böse enden können.“ Schuster kritisierte die Veranstalter, die Präparierung des Schanzenhanges sei nicht ausreichend gewesen.

Zumal die Bergisel-Schanze durchaus eine große Herausforderung für ihn darstellt. Der steile Gegenhang beeinflusst deutlich die Balance bei der Landung. „Der kleinste Fehler kann sich fatal auswirken“, betonte Schuster. Freund haderte deshalb ein bisschen mit seinem ersten Sprung. „Da hätte ich gerne noch mehr rausgehauen“, sagte er. Aber vor allem zollte er Prevc großen Respekt. „Er ist derzeit eben saustark – und einen kleinen Schritt besser als ich“, sagte Freund über seinen Rivalen.

Erst einmal bekommt Freund in dem Zweikampf auch eine kleine Pause, wie alle Athleten. Am Montag ist Ruhetag und erst am Dienstag geht es mit der Qualifikation für das abschließende vierte Springen in Bischofshofen weiter.