Julian Hillmer aus Fellbach steigt seit etwas mehr als drei Jahren nicht nur auf die Schanzen seines Vereins SC Degenfeld. Schnee ist dabei zuweilen hinderlich, denn derzeit landet der Elfjährige noch überwiegend auf Anlagen mit speziellen Matten.

Fellbach - Routiniert schränkt Julian Hillmer seine Bewegungsfreiheit ein. Mit wenigen Handgriffen fixiert er Schuhe und Ski zu einer Einheit. Jetzt kann sich der Elfjährige nur noch langsam nach vorn drücken, um in die richtige Ausgangsposition zu kommen. Stück für Stück schiebt er seinen Körper auf dem Balken über die Rillen, die den Weg in die Tiefe weisen. Dann lässt er los, balanciert in der Hocke und beschleunigt. Mit rund 50 Kilometer pro Stunde nähert er sich jenem Punkt, an dem für ihn der Spaß richtig beginnt – dem Absprung. Seit etwas mehr als drei Jahren macht sich Julian Hillmer regelmäßig auf den Weg nach oben, um dann mit reichlich Tempo möglichst weit unten wieder zu landen. „Das würde ich auch gerne mal machen“, sagte der Fellbacher einst zu seinen Eltern, als sie an der Anlage des SC Degenfeld vorbeikamen.

 

Denn die Nachwuchsakteure verfeinern ihre Technik überwiegend im Sommer

Nun trainiert der Skispringer dreimal wöchentlich auf den Schanzen im Stadtteil von Schwäbisch Gmünd, wofür er auch das Fußballspielen beim SV Fellbach aufgegeben hat. Dass Schnee dabei eher hinderlich ist, erfuhr die Familie bereits, als sie das erste Mal – aus ihrer Sicht selbstverständlich im Winter – in Degenfeld vorbeischaute. Denn die Nachwuchsakteure verfeinern ihre Technik überwiegend im Sommer auf Anlagen mit speziellen Matten. So bereitet sich Julian Hillmer, der seit vergangenem Jahr zum Schülerkader des Schwäbischen Skiverbandes zählt, derzeit auf die neue Saison vor. Ehe Ende Juni in Bad Griesbach der erste Wettbewerb beginnt, steht für den Fünftklässler am Fellbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium in den Pfingstferien unter anderem noch ein Trainingslager im österreichischen Villach an.

„Die Sportart bestimmt unseren Rhythmus ein Stück weit“, sagt der Vater Andreas Hillmer, der den Sohn regelmäßig zum Training fährt und ihn gemeinsam mit seiner Ehefrau zu den Springen begleitet. Ganz wohl ist Heike Hillmer dabei nicht immer: „Teilweise kann ich nicht hingucken. Vor allem, sobald es auf eine größere Schanze geht.“ Zumindest in gewisser Weise beruhigt sie allerdings die Überzeugung, mit der das jüngste ihrer vier Kinder sich nach unten stürzt. „Ich muss mich dabei nicht überwinden“, sagt Julian Hillmer. Besonders freut er sich, wenn ihn sein Trainer Markus Rohde hin und wieder von einer größeren Schanze springen lässt. 74 Meter hat er dabei schon in der Luft zurückgelegt, normal sind in seiner Altersklasse Weiten von 40 bis 50 Meter.

In Russland stand auch Carina Vogt ganz oben auf dem Podium, zu der Julian Hillmer aufblickt

Mit seinem Vornamen ist Julian Hillmer mittlerweile zufrieden. Früher hingegen hakte er immer wieder bei seinen Eltern nach, warum er nicht Severin heißen würde. So wie Severin Freund, der etwa bei den Olympischen Spielen 2014 in Sotschi mit der deutschen Mannschaft die Goldmedaille gewonnen und sich im gleichen Jahr bei der Skiflug-Weltmeisterschaft im tschechischen Harrachov als Solist den Titel gesichert hatte. In Russland stand auch Carina Vogt ganz oben auf dem Podium, zu der Julian Hillmer aufblickt. Die 26-Jährige startet ebenfalls für den SC Degenfeld, hin und wieder begegnen sich die beiden. Später möchte der Nachwuchsspringer einmal dort ins Tal segeln, wo er im Dezember die weltbesten Akteure dieser Sportart beobachtet hat. In Oberstdorf, wo traditionell die Vierschanzentournee beginnt.

Er selbst musste zu diesem Zeitpunkt erstmals verletzungsbedingt auf sportliche Aktivitäten verzichten. Den schweren Milzriss hatte er sich jedoch nicht auf Ski, sondern beim Schulsport zugezogen. Aufgrund der erzwungenen Auszeit verpasste Julian Hillmer auch die schwäbischen Meisterschaften im Januar. In den beiden vorangegangenen Jahren hatte er sich dabei den Titel in seiner Altersklasse gesichert und damit die Trophäensammlung in seinem Zimmer erweitert. Nun aber ist er wieder regelmäßig mit dem umfangreichen Equipment – das zu großen Teilen der Verein zur Verfügung stellt – auf den Schanzen unterwegs und schwitzt bei sommerlichen Temperaturen unter dem engen Anzug. Er beschleunigt in der Anlaufspur und nähert sich jenem Punkt, an dem für ihn der einfachere Teil beginnt. „Es ist schön, fliegen zu können“, sagt Julian Hillmer. Dafür schränkt er seine Bewegungsfreiheit zu Beginn gerne ein.