Sie nennen sich die Neckarslacker und sind im Sommer vor allem in Parks zu finden, in denen viele Bäume stehen. Hallen für die unschönen Tage gibt es zwischen Stuttgart und der Schwäbischen Alb allerdings nur eine.

Großbettlingen - Das Bein zittert und überträgt die Vibration auf den ganzen Körper. So sehr man diesen auch anspannt und die Arme hin und her schwingt: die ersten Schritte auf einer Slackline sind ein wahrer Balanceakt, die der Anfänger ohne Hilfestellung kaum meistern kann. Dabei sieht es so einfach aus, wie die Männer und Frauen auf dem breiten Band, das mehr Gurt als Seil ist, laufen und sogar springen. Früher hat man sie Seiltänzer genannt, aber eigentlich trifft das so gar nicht auf die Slackliner zu.

 

„Du musst über das eigene Scheitern lächeln können“, sagt Ingo Kochwasser über die anfängliche Herausforderung und beantwortet damit auch gleich die Frage, was das denn für Typen sind, die slacklinen. Kochwasser (53) und seine Lebensgefährtin Biggi Mutzke (46) teilen ihre Leidenschaft für den Trendsport seit acht Jahren. Mehr noch, sie haben es geschafft, dass ihre Gruppe, die Neckarslacker, als Abteilung des TSuGV jeden Samstag in der Sporthalle im Heerweg in Großbettlingen ihrem Hobby nachgehen kann. Weit und breit ist es die einzige Halle, in der das möglich ist. Und so kommen rund 30 Slackliner aus Stuttgart und von der Schwäbischen Alb angefahren. „Die Gemeinde und der Verein haben das von Anfang an sehr wohlwollend begleitet“, sagt Kochwasser.

Je länger die Slackline, desto schwerer ist sie zu meistern

Zwar ist das Slacklinen ein Sport, der draußen in der Natur betrieben wird, aber das deutsche Klima bietet dafür lediglich ein begrenztes Zeitfenster, in der die Slackline von Baum zu Baum gespannt werden kann. „So können wir zwischen Oktober und Mai in der Halle slacken“, sagt Mutzke. Das Wort trainieren fällt nicht, denn bei der Trendsportart gehe es mehr um die Gemeinschaft und den Spaß. Feuer gefangen hat Ingo Kochwasser das erste Mal vor rund zehn Jahren. Im Allgäu sah er einen Mann auf einer Slackline. „Er war so konzentriert, ich traute mich nicht, ihn anzusprechen“, erinnert er sich. Damals wusste er nicht, was das für ein Sport war, und so suchte er im Internet nach Schlagworten wie Spanngurt – und fand schließlich das Slacklinen.

Er bestellte gleich mehrere Meter des Nylonbandes und begann zu üben, anfangs ganz für sich allein. Schnell stellte er jedoch fest, dass er etwas ambitioniert eingekauft hatte. „Je länger die Slackline, desto schwerer ist sie zu meistern“, erklärt er. Im Gegensatz zum altmodischen Tanzseil, wird die Slackline nämlich nicht straff gespannt. „Deswegen zittert man anfangs so stark, wenn man draufsteht“, erklärt Mutzke. Denn obwohl das Band eine Breite von bis zu fünf Zentimetern besitzt, liegt die Schwierigkeit darin, seine Vibration mit einer Mischung aus Körperspannung und lockerem Ausgleichen mit dem Oberkörper, vor allem den Armen, auszugleichen.

Weltrekord liegt bei 601 Metern

Slacklinen erfordert große Konzentration. „Man muss körperlich angespannt, aber innerlich gleichzeitig wach sein und Ruhe bewahren“, versucht Kochwasser die Technik zu erklären, die auch die Faszination für ihn ausmacht. Der Weltrekord auf der Longline liegt übrigens bei 601 Metern. Nathan Paulin ist diese Strecke im vergangenen November in 27 Minuten gegangen. Zum Vergleich: vor der Großbettlinger Halle spannen die Neckarslacker die Longline mit maximal 100 Metern. Die Baumstämme umhüllen sie vorher mit Schutzmatten.

Biggi Mutzke bevorzugt die Rodeo-Line, eine durchhängende, ja schlaffe Slackline. Aufgrund ihres Durchhangs ist sie wesentlich schwerer zu begehen, denn sie schwingt deutlich stärker von links nach rechts. Das sei etwas für ältere Semester, denn einige Neckarslacker sind schon jenseits der 50.

Auch der 22-jährige Jonas Dieterle kommt regelmäßig aus Esslingen angefahren. Seit er vor acht Jahren angefangen hat , ist seine Disziplin die Jumpline. Diese ist breiter, besitzt mehr Spannung und erlaubt waghalsige Sprünge. Bevor Jonas seine Tricks mit Salti und Drehungen auf der Jumpline wagt, übt er sie auf einem Trampolin. Das minimiert das Verletzungsrisiko deutlich und bringt Sicherheit. Seit er sich vor zwei Jahren den Arm bei einem Wettkampf in Montpellier gebrochen hat, macht er es nur noch zum Spaß. „Für mich steht das Gemeinschaftsgefühl im Vordergrund“, sagt er. Sobald das Wetter es zulässt, werden die Slackliner die Parks im Landkreis wieder einnehmen. „Das Naturerlebnis ist einfach das Beste“, sagt Mutzke.