Ein Backofen, der vom Computer lernt, wie Pizza am besten gelingt. Kühlschränke, die fehlende Lebensmittel auflisten: Die smarte Küche soll als Einstieg ins digitale Heim taugen.

Stuttgart - Ein Tisch, der alles kann: Zutaten erkennen und wiegen, Rezepte vorschlagen und Kochschritte anzeigen, Lebensmittel je nach Bedarf erhitzen oder kühlen. Ist die Mahlzeit zubereitet, wird das Möbel zum Essplatz. Diese Idee einer multifunktionalen Arbeits-, Koch- und Servierfläche, die überdies als Display dient, stellte das schwedische Einrichtungshaus Ikea unter dem Schlagwort „ConceptKitchen 2025“ in Mailand vor. Vier Jahre ist das nun her.

 

Der Haken an der Sache: Dieses Wunderding ist reine Vision. Die Nachfrage in Schweden ergab, dass Ikea dieses Projekt nicht zur Marktreife bringen wird. „Wie in der Automobilindustrie, wo Concept Cars entwickelt werden, sollen konzeptionelle Produkte den Weg für zukunftsweisende Entwicklungen zeigen, aber nicht unbedingt so in Serienproduktion gehen“, heißt es in der Antwort-Mail. „Die ConceptKitchen wird in dieser Form vielleicht nie verkauft.“

Ist das Smart Home weiterhin nur Zukunftsmusik?

War alles nur Zukunftsmusik? Fast zeitgleich hatte die Firma Bauknecht in Köln ein interaktives Kochfeld mit integrierter Küchenwaage vorgestellt, inklusive Kühlschrank-Vernetzung, App mit Bestellfunktion und Display für Kochvideos und Rezepte. Kerstin Triebener, bei Bauknecht für Produkt-PR zuständig, teilt auf Anfrage mit: „Bei dem Interactive Cooktop handelte es sich um einen Prototyp, der so nicht in den Markt eingeführt wurde.“ Im Sortiment erhältlich seien Induktionskochfelder mit Kochassistent und Sensoren zur Überwachung unterschiedlicher Zubereitungsarten. Das klingt weit weniger spektakulär. Zwei Schritte vor, einer zurück?

Keine Frage: Mit vernetzten Geräten und Möbeln, die per App bedient werden, hat das Internetzeitalter die Küche erreicht. Smart Kitchen lautet das Schlagwort. Wie stark die digitale Vernetzung die Abläufe im Haushalt verändern wird, ist derzeit schwer abzuschätzen. „Noch sind wir in einem frühen Stadium, in dem die Industrie die Bedürfnisse der Kunden sondiert und vieles erklären muss“, sagt Volker Irle, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche (AMK). In dem Mannheimer Verein sind rund 140 Hersteller von Küchenmöbeln, Elektro- und Einbaugeräten sowie Lieferanten und Dienstleister der Küchenbranche aktiv.

„Die Küche ist heute kein geschlossenes Arbeitszimmer für eine Person mehr, sondern durch offene Grundrisse zum kommunikativen Mittelpunkt des Wohnens geworden“, skizziert Irle die Entwicklung. Wahrnehmbar im vorzeigbaren Design, in komfortabel zu nutzenden Schränken, leise laufenden Geräten oder Lichtsystemen, die auf Knopfdruck Partystimmung erzeugen. „Durch Smart Kitchen werden die Möglichkeiten breiter“, sagt der AMK-Geschäftsführer und sieht darin einen großen Vorteil für die Küchenbranche. „Innovationen regen dazu an, sich mit Entwicklungen rund um die Küche zu beschäftigen.“ Und da gerade viel passiere, werde die Aufmerksamkeit in den nächsten Jahren deutlich zunehmen.

Bosch hat für die smarte Küche ein Start-up-Programm

Um dem Innovationsdruck standzuhalten, gehen die Hersteller von Haushaltsgeräten neue Wege. So hat die zu Bosch gehörende BSH Hausgeräte GmbH mit dem US-amerikanischen Gründernetzwerk Techstars ein Start-up-Programm namens Accelerator (deutsch: Beschleuniger) initiiert. Zehn internationale Teams entwickeln digitale Hilfen, um sich gesund zu ernähren, unterschiedliche Tees perfekt zuzubereiten oder den Überblick über die Haltbarkeit vorrätiger Lebensmittel zu erleichtern.

„BSH profitiert von der Kooperation mit Start-ups durch den frühen Zugang zu innovativen Ideen, neuen Geschäftsmodellen und der schnellen Umsetzung durch die jungen Unternehmen“, sagt Tibor Kramer, der das Programm bei der BSH-Gruppe betreut. „Als Gegenleistung erhalten die Gründer Zugang zu Experten, bis zu 120 000 US-Dollar Finanzierung (etwa 108 355 Euro) und gewinnen bestenfalls ihren ersten Kooperationspartner – die BSH.“

Für die Smarte Küche braucht es Medienkompetenz

Die Upload-Fähigkeit von Geräten und die Sprachsteuerung sind nach Ansicht von Volker Irle die aktuell heißen Themen rund um die smarte Küche. „Die Sprachsteuerung entwickelt sich dahin, dass man mit einem Befehl eine Reihe an Vorgängen auslösen kann“, sagt der AMK-Mann. So könne der Satz „Ich möchte backen“ bewirken, dass auf einem Screen Rezepte und Infos über vorrätige Lebensmittel erscheinen, während der Ofen vorgeheizt wird. „Die Verknüpfung einzelner Lösungen nimmt massiv zu.“ Und fördert neue Allianzen zwischen Unternehmen und Dienstleistern, etwa um Bestellvorgänge auf den Weg zu bringen. „Es werden Dienstleistungen entstehen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können“, prognostiziert Irle.

Besonders beliebt sind vernetzte Geräte zum Kochen, Backen, Spülen, Waschen und Staubsaugen laut Studie bei den 25- bis 34-Jährigen. 70 Prozent der Nutzer sind männlich. „Eine Familienküche wird heute von mindestens zwei Generationen genutzt, von Mann und Frau gleichermaßen. So entstehen unterschiedliche Bedürfnisprofile“, sagt der AMG-Geschäftsführer. Während der eine ein Feature toll fände, sage der andere: Das verstehe ich nicht, das nutze ich nicht. Zumal die Datensicherheit nicht allein Skeptikern Sorge bereitet. Dazu meint Irle knapp: „Wer den Komfortgewinn haben möchte, akzeptiert, dass seine Daten irgendwo verarbeitet werden.“

Energieeffizient, intuitiv zu bedienen und auch aus der Ferne zu kontrollieren, was die Sicherheit im Haus erhöht: Zu diesen Versprechen rund um die vernetzte Küche kommen die Faktoren Entertainment und Kommunikation. Dazu braucht es Medienkompetenz, und die sei in der Industrie oft nicht vorhanden. Das meint zumindest Jürgen Scheible, Professor an der Hochschule der Medien in Stuttgart.