Alle wollen smart sein. Auch Häuser. Netzbetreiber, Stromversorger und Gerätehersteller vernetzen die Wohnungen. Jetzt bringen auch die Internetgiganten Apple, Amazon und Google Schwung in den deutschen Markt.

Geld/Arbeit: Daniel Gräfe (dag)

Stuttgart - Der Gang durch die Modell-Küche von Boschs Hausgeräte-Tochter BSH zeigt, was in vernetzten Wohnungen bereits möglich ist: Binnen zwei Jahren hat BSH smarte Backöfen, Waschmaschinen, Trockner, Kühlschränke, Spülmaschinen und Einbaukaffeevollautomaten auf den Markt gebracht. Im Frühjahr ist die Zeit reif für die vernetzte Dunstabzugshaube und im Herbst für das smarte Kochfeld: Dieses ist mit Sensoren bestückt, die unter anderem die Füllmenge im Topf erkennen. Sensoren in der Dunstabzugshaube messen die Luftqualität und Wasserdampf, um die Leistung zu regulieren und bei Gefahr zu warnen. Jedes der Geräte lässt sich über das Internet mit der hauseigenen App Home Connect steuern, auch von unterwegs mit dem Smartphone. Aus Bosch-Sicht ist damit die vernetzte Küche komplett.

 

Doch die Zeit der vernetzten Wohnung ist auch bei Bosch gerade erst angebrochen. Denn der Technologiekonzern will künftig möglichst alle Wohnungsbereiche ans Internet anschließen. Smart Home wird das auch genannt, und das Marktpotenzial dafür gilt als gewaltig. Deshalb ist die Aufbruchsstimmung nicht nur bei Europas größter Hausgerätehersteller riesig. Die unterschiedlichsten Branchen bringen sich zurzeit in Stellung und versuchen, mit Einsteiger-Angeboten die Kunden zu begeistern – gerne als Energiesparpaket inklusive smarter Heizung oder als Sicherheitslösung mit der integrierten Alarmanlage beworben. In Deutschland bieten Energieversorger wie Innogy/RWE, Netzbetreiber wie die Deutsche Telekom und Internetgiganten wie Apple und Amazon Smart-Home-Pakete an. Auch Elektronikkonzerne wie Philips, Router-Produzenten wie Gigaset und AVM und Netzwerktechnik-Hersteller wie Devolo wollen mitverdienen.

Der Smart-Home-Markt soll bis 2025 einen Umsatz von 20 Milliarden Euro erreichen

Tatsächlich sagt das Bundeswirtschaftsministerium bis 2025 dem Geschäft mit den vernetzten Heimen einen Umsatz von rund 20 Milliarden Euro voraus. Schon im vergangenen Jahr wurde der erste Schritt zum Massenmarkt gemacht. Der Umsatz kletterte in den ersten zehn Monaten 2016 im Vorjahresvergleich um zehn Prozent auf 3,1 Milliarden Euro, wie die Marktforschungsgesellschaft GfK ermittelte. Am beliebtesten sind dabei vernetzte Produkte aus dem Unterhaltungsbereich wie smarte Fernseher und Audiogeräte – rund vier Millionen Geräte wurden verkauft. Auch der Absatz von Routern und smarten Steckdosen, die das Zusammenspiel der vernetzten Geräte steuern helfen, hat die Millionengrenze überschritten. Bei den intelligenten Haushaltsgeräten sind vor allem Waschmaschinen, Staubsauger und Espressovollautomaten gefragt. Am stärksten boomen jedoch derzeit smarte Überwachungskameras, LED-Lampen, Rauchmeldern und Kohlenmonoxidsensoren – hier hat sich der Absatz teils verdoppelt.

Eine höhere Sicherheit und geringere Energiekosten sind die Hauptgründe, aus denen sich Kunden für den Einstieg in das vernetzte Zuhause entscheiden – das belegen auch die aktuellen Studien von Bitkom und den Marktforschern von Gartner. Ein wichtiges Kaufargument ist auch der technische Komfort, mit dem sich unter anderem Licht, Staubsauger und Rollläden steuern lassen. „Der Einbau und die Bedienung müssen intuitiv sein“, sagt GfK-Experte Arndt Polifke. Hier werde sich entscheiden, wer im Markt bleibe. Auch deshalb rechnet die Gartner-Analystin Jessica Ekholm damit, dass in diesem Jahr die Internetgiganten Amazon, Apple und Alphabet/Google Schwung in den Smart-Home-Markt bringen. Mit diesen Marken seien die Verbraucher nicht nur besonders vertraut – Amazon & Co bieten auch die Steuerung der vernetzten Geräte via Sprache an. Ein Bitkom-Experte pflichtet ihr bei: „Sprachassistenten könnten eine Initialzündung sein.“

Sprachassistenten wie Amazons Alexa sollen die Initialzündung sein

Amazons vernetzter Lautsprecher Echo ist in Deutschland bereits seit Herbst vergangenen Jahres auf dem Markt. Der Hype um die integrierte Sprachassistentin Alexa hat vielen Verbrauchern in Deutschland das Thema Smart Home überhaupt erst bekannt gemacht. Googles vernetzter Sprach-Lautsprecher Google Home wird wohl im Herbst hierzulande starten. Und die Alphabet-Tochter Nest bietet seit Februar Rauchmelder und Überwachungskameras an. Nicht zu vergessen sei Apples Home Kit, das bereits auf dem Markt sei, sagt Ekholm: „Es wird einen Netzwerk-Effekt geben.“

Dieser ist bereits zu spüren. Die unterschiedlichsten Firmen überbieten sich, Amazons Alexa in ihre Produkte zu integrieren, um bei den Kunden mit der einfachen Bedienung zu punkten – so auch Boschs Hausgeräte-Tochter. Diese kooperiert auch mit Nest. Damit wolle man potentielle Gefahrenquellen im Haushalt, etwa durch Brände, frühzeitig erkennen, heißt es.

Kooperationen wie diese dürften auch den Markt bestimmen, sagt ein Bitkom-Experte. Es zeichne sich noch nicht ab, wer sich im deutschen Smart-Home-Markt durchsetzen werde. „Aber wer am Ende die meisten Geräte und Services aus einer Hand anbietet, hat sicherlich einen Vorteil.“ Ähnlich sieht es auch GfK-Experte Polikfe: „Der Markt ist stark in Bewegung, die Firmen müssen über die Grenzen der Gewerke hinweg einheitliche Standards schaffen. Diese schaffen Vertrauen, das ist enorm wichtig.“ Gerade deswegen böten sich dem Handwerk und Fachhandel große Chancen, betont Polifke. Die Notwendigkeit zur kompetenten Beratung sei beim Smart Home so hoch wie sonst kaum. „Sicherheit und Vertrauen ins vernetzte System kann niemand so gut erfüllen wie ein Fachmann. Das Potenzial ist enorm.“