Papst Franziskus hat Nonnen das Internet zur „Zeitvergeudung“ verboten. Wie halten es die evangelischen Schwestern mit Social Media? Ein Besuch auf dem Pfingstjugendtreffen mit 6500 gläubigen Digital Natives.

Aidlingen - Vor Kurzem gelang der katholischen Kirche eine waschechte Überraschung. Papst Franziskus veröffentlichte Regeln, die das Internetverhalten von Nonnen in Klöstern weltweit leiten sollen. Ordensfrauen sollten ihre Zeit nicht mit sozialen Medien vergeuden, warnte der Vatikan im Regelwerk „Cor Orans“ (Betendes Herz). Facebook und Twitter müssen Nonnen „mit Ernsthaftigkeit und Diskretion“ nutzen. Das gilt nicht nur für Inhalte, sondern auch für die Menge der Informationen. Seither fragt man sich: Haben Frauen in der Kirche tatsächlich ein Problem mit dem Internet? Oder suchen Religionen so lediglich ihren Platz in einer zusehends digitaler werdenden Welt ? Wer das verstehen will, geht am besten dahin, wo Schwestern auf Menschen treffen, für die eine Welt ohne soziale Medien nicht existiert: zum Pfingstjugendtreffen der Digital Natives, also den Jugendliche, die eine analoge Welt nur vom Hörensagen von ihren Eltern kennen. Am Wochenende fand es wieder in Aidlingen statt.

 

Das Gelände der Diakonissinnen erinnert an ein Rockfestival, bevor es so richtig losgeht. Fein säuberlich reihen sich auf Wiesen die Zelte, Bühnenaufbauten türmen sich an noch nicht ausgetretenen Pfaden. Junge Leute auf Campingstühlen verstecken ihre Augen hinter dunklen Sonnenbrillen. Die Nacht war wohl auch ohne Alkohol lang. Jedes Jahr kommen mehr als 6500 Gläubige aus dem deutschsprachigen Raum hierher, um gemeinsam Bibel zu lesen, Musik zu hören oder zu chillen. Ihre Gesprächsprotokolle finden sich im Netz: als Selfies auf Instagram, als nachdenkliche Posts auf Facebook.

Schwester Caroline Hornberger gibt den Takt vor. Als Öffentlichkeitsbeauftragte des Mutterhauses Aidlingen, den Veranstaltern des Pfingstjugendtreffens, rückt sie das Fest in den sozialen Medien ins rechte Licht. In einem ausrangiertem Zugwaggon auf Rädern bespricht sie mit ihren Helfern Daniel und Luisa, welche Videos gerade bei Instagram gepostet, welche Texte wann auf der Homepage veröffentlicht werden. Das Abteil gleicht der Schaltzentrale eines Raumschiffs. Während von der Bühne nebenan die Bässe eines christlichen Rappers dröhnen, blinken im Waggon Laptop-Bildschirme und die auf die Wand projizierten bunten Kacheln der Social Media-Beiträge: „Immer wieder beeindruckend, was die Schwestern stemmen!! #JesusFirst! #Danke #pjt18“, steht da von einem Mr. Joy auf Facebook.

App 365 Steps verbindet Christen

Wenn Daniel oder Luisa sprechen, saugt Schwester Caroline jedes Wort förmlich auf, so aufmerksam hört sie zu. Die 38-Jährige hat ein schmales Gesicht, in ihrem linken Ohr hat sie ein Funkgerät. Wie fast immer trägt sie eine grau-schwarze Schwesterntracht. Ihr Smartphone hat sie gerade auf dem Tisch neben sich abgelegt. Darauf installiert sind: Whatsapp zum Chatten, Instagram für Bilder, die App 365 Steps zum Vernetzen mit anderen Christen. Die unter den Jungen beliebte Anwendung Snapchat oder die Kennenlernplattform Tinder findet sie „zu kurzlebig“ und für sich unwichtig. „Es kommt nicht auf das Medium, sondern auf die Inhalte an“, sagt sie.

Unter allen ihren Apps ist Google für sie die größte Zeitverschwendung. Das Problem beginnt, wenn sie im Netz etwas nicht auf Anhieb findet. Dann stößt Schwester Caroline auf etwas, das ebenfalls interessant ist, mit der Suche aber wenig gemein hat. „Ich will meine Zeit bewusst nutzen, aber auch mir fällt es manchmal schwer, mich den umschwirrenden Infos zu entziehen“, gesteht sie.

Die sozialen Medien: für Kirchen eine Herausforderung

236 Schwestern wohnen im Diakonissenmutterhaus in Aidlingen. Wie in den meisten Klöstern, sind viele der Frauen im Seniorenalter. Schwester Caroline ist eine der Jüngsten. Für die älteren spielen Handys keine Rolle. Für jüngere schon. Vielen hat die Technik die Arbeit erleichtert, sei es als Krankenschwester oder als Organisatorin. Eine kurze Nachricht spart Zeit. Das ist auch im Kloster wichtig. Manchmal kommt es vor, erzählt Schwester Caroline, dass während des Gebetes oder der gemeinsamen Bibellektüre ein Smartphone surrt und tüdelt. „Das ist unangenehm, aber das passiert selten.“

Die sozialen Medien sind für die Kirchen eine Herausforderung. Der Kampf um Aufmerksamkeit fordert auch von ihnen eine grelle Ansprache und ständige Erreichbarkeit – eigentlich untypisch für eine Institution, die sich das Seelenheil und die Besinnlichkeit auf die Fahnen schreibt. Auf der anderen Seite jedoch kann das Internet die christliche Botschaften zielgenau und individuell unter die Menschen bringen und in Zeiten von sinkenden Mitgliederzahlen den verlorenen Söhnen und Töchtern wieder den Weg zum Herrn aufzeigen. Dem englisch-sprachigen Twitter-Account von Papst Franziskus folgen 18 Millionen Nutzer. Die evangelische Kirche hat sogar eine Youtuberin engagiert, damit sie Jugendlichen vom Glauben erzählt.

Auch im Social Media-Waggon auf dem Pfingstjugendtreffen versucht Schwester Caroline ihre Botschaft hinaus zu tragen. „Wir wollen auch die jungen Christen erreichen, die nicht hier sein können“, sagt sie. Dazu notwendig ist aus ihrer Sicht vor allem: eine für Jugendliche moderne, aber für die Kirche authentische Ansprache. Das klingt dann so: Unter dem Facebook-Post „Unter welchen Umständen würde Lukas Herbst seine Tochter enterben?“ erzählt ein junger Mann, dass die Liebe zu seiner Tochter das Größte ist. Mit einem Grinsen fügt er hinzu, dass er als Burger-Liebhaber sie enterbe, wenn sie Vegetarierin würde.

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