Die „Soko Stuttgart“ hat schon an vielen Plätzen in der Stadt gedreht. Für die Staatsgalerie Stuttgart war es dagegen eine Herausforderung, als das große Fernsehteam jetzt die Ausstellungsräume bevölkerte.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Die Kuratorin ist empört. Gibt es Schlimmeres, als die Polizei im Haus? Leider ja. Denn als die Herrschaften von der Kripo in die Staatsgalerie Stuttgart marschieren, stellen sie nicht nur unbequeme Fragen, sondern der Kollege Joachim Stoll beginnt, von einem Gemälde die Farbe abzukratzen – ausgerechnet vom Werk eines Shootingstars. Die Kuratorin schreit hysterisch, aber schon heißt es wieder: „Danke – noch mal alles auf Anfang.“

 

Die „Soko Stuttgart“ hat schon an vielen Stellen Stuttgarts gedreht, in Kliniken, Kanzleien und Kneipen. Die Folge „Vermächtnis“ spielt in der Kunstszene. Der gefeierte Jungstar wird in seinem Atelier erschossen. Und weil der Maler laut Drehbuch gerade eine Ausstellung in der Staatsgalerie hat, hat sich das „Soko“-Team im Museum breitgemacht. 7 Minuten und 10 Sekunden müssen gedreht werden, das ist mehr als der Tagesdurchschnitt. Deshalb ist die erste Aufnahmeleiterin sichtlich im Stress. Eigentlich wirken alle angespannt, denn die Zeit ist knapp. Bis Mitternacht muss alles wieder abgebaut sein – am Dienstag ist das Haus wieder fürs Publikum geöffnet.

Am Drehtag kommt man dagegen nicht so einfach ins Haus. Tom Gabriel hat an allen neuralgischen Punkten im Haus Aufsichten postiert. Jeder, der sich in der Staatsgalerie bewegt, muss namentlich gemeldet werden und einen Ausweis tragen. Gabriel ist für Veranstaltungen in der Staatsgalerie zuständig und versucht, den Wünschen des Fernsehteams zu entsprechen, ohne den Betrieb zu behindern oder die Kunst zu gefährden. Deshalb ist es ihm sehr recht, dass das Team sofort auf dem Parkett Teppichboden ausgerollt hat. Die Kamera hat einen Fahrschlitten, für den Metalltraversen am Boden verlegt werden. „Wenn etwas knackig auf den Boden gestellt wird, sehe ich die Spuren noch fünf Jahre lang“, sagt Gabriel. Er war schon häufig mit Fernsehteams im Haus unterwegs, aber so gut wie die „Soko“ seien die wenigsten organisiert.

Das Catering hält Abendessen für achtzig Personen bereit

Das muss auch so sein, denn die „Soko“ ist ein stattliches und personalintensives Unternehmen. Das Catering, das im Vortragssaal aufgebaut wurde, hält Abendessen für achtzig Personen bereit, denn allein das „Soko“-Team umfasst schon sechzig Leute. In der Urbanstraße parkt das „Soko“-Mobil, ein langer Bus für Maske und Garderobe, in dem es so ziemlich alles gibt, was man im Notfall brauchen könnte. Sogar Moonboots stehen bereit, falls die Schauspieler im Winter in den Drehpausen kalte Füße bekommen.

Da die Staatsgalerie aus Sicherheitsgründen allerdings nur über den Haupteingang betreten werden kann, eilen Astrid M. Fünderich alias Erste Hauptkommissarin Martina Seiffert und Peter Ketnath alias Hauptkommissar Jo Stoll während der Umbaupause nicht in die Urbanstraße, sondern nur schnell die Treppe runter in die Alte Staatsgalerie, wo auf den Toiletten eine provisorische Garderobe samt Maske eingerichtet wurde. In dem Saal, der die Alte und die Neue Staatsgalerie verbindet, wird derweil die Szene vorbereitet, in der Kommissar Stoll die Farbe vom Bild runterkratzen wird. Riesige abstrakte Gemälde stehen vor den Wänden – sie sind in der Werkstatt des Szenenbildners Tommy Stromberger entstanden.

Geld verdient die Staatsgalerie bei Dreharbeiten nicht

Eigentlich wäre es Tom Gabriel lieber gewesen, wenn die „Soko Stuttgart“ im Vortragssaal ein paar Kulissen aufgebaut hätte. Aber nicht nur dem Fernsehteam, auch der Staatsgalerie selbst ist daran gelegen, dass die Zuschauer das Museum erkennen. Ein lukratives Geschäft sind Dreharbeiten für das Museum nicht, letztlich geht es darum, auf seine Kosten zu kommen. „Für uns steht das Image im Vordergrund“, sagt Gabriel, „es ist gut, im Gespräch zu bleiben, aber aufwandsmäßig könnten wir das nicht jeden Monat machen“.

Zwei Statisten bleiben vor einem Modigliani stehen und scheinen über das Gemälde zu sprechen. Sie machen ihre Sache gut, grad so, als seien sie echte Besucher. Für die Kamera ist die Einstellung heikel, denn nicht alle Bilder dürfen gefilmt werden – wegen der Bildrechte. Für Werke, deren Schöpfer noch keine siebzig Jahre tot sind, fallen Tantiemen an, deshalb musste im Hintergrund einiges abgehängt werden. Ein Gemälde von Oskar Schlemmer darf dagegen ins Fernsehen. „Die Rechte sind seit fünf Jahren frei“, sagt Gabriel, „und Schlemmer hat sogar eine Verbindung zu Stuttgart“.

Im Museum sind besondere Vorsichtsmaßnahmen wichtig

„Auch an anderen Drehorten hat man Spielregeln zu beachten“, meint Hansgert Eschweiler, der Pressesprecher der „Soko Stuttgart“. Jeder Ort habe seine speziellen Anforderungen, sei es ein Krankenhaus oder ein Orchestergraben während der Probe. „Wir versuchen, keinen Blödsinn zu machen, dann ist alles gut.“ Trotzdem geht Tom Gabriel lieber auf Nummer sicher. Bei Dreharbeiten in der Staatsgalerie ist der „Vertragsnehmer“, wie es offiziell heißt, in der Haftung. Aber wenn ein Gemälde zerstört würde, ließe sich daran auch mit der stattlichsten Versicherungssumme nichts mehr ändern. Deshalb hat Gabriel vorsorglich überall dort die Bilder abhängen lassen, in deren Nähe ein Stativ steht – für den Fall, dass es doch mal umfällt.

Umbaupause beendet. Astrid M. Fünderich liest auf dem iPad noch mal den Text nach. Für die „Soko“ sind immer wieder Scouts unterwegs, die nach interessanten Drehorten Ausschau halten. Dass die Folge 242 aber in der Staatsgalerie Stuttgart gedreht wurde, hat sie eingefädelt. „Ich bin natürlich auch privat viel in Stuttgart unterwegs“, erzählt Fünderich, dabei habe sie die Pressesprecherin des Hauses kennengelernt. „So kam eines zum anderen, mehr als ein schöner Zufall, über den ich mich sehr freue.“

Die „Soko Stuttgart“-Folge „Vermächtnis“ soll im Frühjahr im ZDF ausgestrahlt werden.