Der Gang vor Gericht bleibt Franz Beckenbauer im Zuge der Sommermärchen-Affäre vorerst erspart. Doch haben die jahrelangen
Ermittlungen der früheren Lichtgestalt des deutschen Fußballs schwer zugesetzt.

Stuttgart - Knapp vier Wochen ist es her, dass Franz Beckenbauer (73) zur Tat schritt – gewohnt unerschrocken und ohne Rücksicht auf Verluste. Zum Golfschläger konnte er bei seinem „Kaiser-Cup“ in Bad Griesbach aus gesundheitlichen Gründen zwar nicht greifen, den Startschuss des Promi-Benefizturniers aber ließ sich der Schirmherr auch bei der 32. Auflage nicht nehmen: Eigenhändig löste Beckenbauer die goldene Kanone aus – und verschwand nach einem donnernden Knall im Pulverdampf.

 

Er sah in diesem Moment nicht unbedingt aus wie ein Mann, für den jede Aufregung lebensgefährlich sein könnte.

Theo Zwanziger fordert ein unabhängiges Gesundheitsattest

Genau das haben zuletzt die Ärzte des deutschen Fußballkaisers attestiert. Ein getrübtes Urteilsvermögen und Gedächtnis sowie daraus resultierende Vernehmungsunfähigkeit stellten sie in ihrem Gutachten ebenfalls fest – was Beckenbauer (vorerst) vor der Anklage der Schweizer Bundesanwaltschaft im Zuge der Sommermärchen-Affäre bewahrt. Doch fordern die Anwälte der anderen Beklagten um Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach ein weiteres und vor allem unabhängiges Gesundheitsattest. Schließlich ist Beckenbauer die Schlüsselfigur bei der Beantwortung der noch immer ungeklärten Frage, wofür in den Jahren 2002 und 2005 die dubiosen Zahlungen in Höhe von 6,7 Millionen geleistet wurden.

Den Ärger hat Franz Beckenbauer in sich hineingefressen

Noch größer als das Interesse an dieser Ungereimtheit ist in Deutschland inzwischen die Sorge um Beckenbauers Gesundheit, seit der „Spiegel“ vor zwei Wochen die Bedenken seiner Ärzte publik gemacht hat. „Wie schlecht steht es wirklich um ihn?“, fragte nicht nur die „Bunte“, der Beckenbauer in diesem Jahr einen der seltenen Einblicke in sein Seelenleben gegeben hatte: Er habe die großen Enttäuschungen der vergangenen Jahre rund um die Ermittlungen zur Heim-WM 2006 zu sehr in sich hineingefressen, sagte Beckenbauer dem Blatt – und das sei „anscheinend genau das Verkehrte“ gewesen.

„Erstunken und erlogen“: Was Beckenbauer zu den Vorwürfen gesagt hat.

Das Schicksal hat es in den vergangenen Jahren nicht gut gemeint mit der einstigen Lichtgestalt des deutschen Fußballs. Im August 2015 starb Sohn Stephan infolge mehrerer Hirntumore mit nur 46 Jahren. Im September 2016, nur wenige Tage nachdem Steuerfahnder eine Hausdurchsuchung bei ihm durchgeführt hatten, musste sich Beckenbauer der ersten Herzoperation unterziehen. Die Ärzte hatten ihm zuvor nur noch ein halbes Jahr gegeben. Im November 2017 folgte die zweite Herz-OP. Eine künstliche Hüfte bekam Beckenbauer im Frühjahr 2018 – und berichtete in diesem Juli am Rande des Golfturniers in Bad Griesbach von der nächsten Hiobsbotschaft: Augeninfarkt. Er könne auf dem rechten Auge nur noch „wenig bis nichts“ sehen.

Öffentliche Auftritte Beckenbauers sind selten geworden

Rar sind seine öffentlichen Auftritte geworden. Am 1. April nahm Beckenbauer, gesundheitlich schwer gezeichnet, an der Eröffnungsgala der Hall of Fame des deutschen Fußballs in Dortmund teil. Bei Sky meldet er sich zudem gelegentlich mit seiner Expertenmeinung zur aktuellen Lage in der Bundesliga und der Champions League zu Wort. Kein Vergleich zu früher, als der Weltmeisterspieler und -trainer auf sämtlichen Kanälen allgegenwärtig und der große Liebling der Nation war. Tiefer hätte sein Fall kaum sein können.

Die Öffentlichkeit würde Franz Beckenbauer mutmaßlich auch dann weitgehend meiden, wenn es ihm besser ginge. Nicht allein gesundheitlich haben ihm die jahrelangen Ermittlungen um sein Herzensprojekt, die Heim-WM 2006, stark zugesetzt. Dass er sich ungerecht behandelt fühlt, das ließ Beckenbauer immer wieder erkennen. Neun Jahre lang habe er für diese Weltmeisterschaft im eigenen Land gekämpft, sagte er der „Bunten“ und bezeichnete das Turnier als „größte gesellschaftliche Veränderung der Nachkriegszeit“ in Deutschland nach der Wiedervereinigung: „Das müsste doch jede Mühe wert gewesen sein. Es war die richtige Entscheidung, mich dafür einzusetzen.“