Die Gegend um Kirbachhof war schon immer fruchtbar. Auf dem ehemaligen Gelände einer mittelalterlichen Propstei führt Erich Weiberle mit seiner Familie einen Rinder- und Gänsezuchtbetrieb mit eigener Metzgerei und Hofladen.

Kirbachhof - Gestern ist es wieder spät geworden für Erich Weiberle. Er hat einer Kuh beim Kalben geholfen. „Ich habe alle paar Stunden in den Stall geschaut und in der Nacht ist es dann passiert“, sagt der Landwirt. In seinem Beruf könne man eben keine Arbeitszeiten aufschreiben. „Landwirtschaft ist kein Beruf, sondern ein Lebensstil“, sagt er.

 

Den pflegt Erich Weiberle in Kirbachhof seit 25 Jahren. 1990 kaufte er das Gehöft vom Rinderzuchtverband. Der Weidebetrieb hat hier Tradition: Schon im Mittelalter stand hier eine Propstei. Auch Kelten und Römer siedelten bereits hier. Im nahe gelegenen Ovalsee steht eine Statue der Fruchtbarkeitsgöttin Kybele, hier Kibannele genannt.

Rinder, Gänse, Hühner

Auf den knapp 30 Hektar Weidefläche grasen jetzt etwa 100 Rinder, hinter dem Hof gibt es eine Wiese für fast 1000 Gänse. Und Hühner hält Weiberle auch noch. Da die Weiberles auch eine eigene Schlachtung haben, begleitet er die Tiere „von der Geburt bis zur Theke“. Für seine sechs Kinder sei das manchmal schwierig.

Aber auch die helfen fleißig mit auf dem Hof. Ein Sohn macht eine Schreinerlehre, eine Tochter lernt Hauswirtschaft, die Tochter Miriam ist Fleischereifachverkäuferin. „Nach der Schule gab’s immer was zu tun“, erinnert sich die 20-Jährige, „langweilig war es also nie.“ Für sie war es kein Problem, abgelegen zu leben. „Der Bus zur Schule fährt jede halbe Stunde“, sagt sie.

Die Supermärkte entdecken den Trend zum Regionalen

Die Theke befindet sich auch auf dem Hof: Zusammen mit seiner Frau Jael betreibt Weiberle einen eigenen Hofladen. „So etwas gehört heute einfach dazu“, findet er. Als er damit anfing, habe man im benachbarten Sachsenheim gespottet. „Da kommt doch niemand hin“, erinnert sich Weiberle an die Bedenken. Heute hat er nicht nur viele Kunden aus Pforzheim, Stuttgart oder Heilbronn, sondern er beliefert auch Supermärkte, die sich dem Trend zum Regionalen nicht verschließen wollen. „So etwas hätte man sich vor zwanzig Jahren nicht vorstellen können“, sagt Weiberle.

Im Kirbachhof ist man es gewohnt, Selbstversorger zu sein. Der nächste Bäcker ist 20 Minuten mit dem Auto entfernt. „Wir backen daher selber“, sagt Weiberle. Der Strom dafür kommt aus der eigenen Solaranlage auf dem Hof, die Wasserversorgung läuft über eine eigene Quelle, Wärme gibt es von der Hackschnitzel-Anlage. „Viel brauchen wir nicht. Wir müssen nicht wöchentlich einkaufen fahren“, sagt Weiberle.

Telefonkasten mit Reichspost-Emblem

Seit sechs Jahren wohnt auch Michael Lüer hier. Der IT-Berater zog aus Düsseldorf hierher, weil er „mehr mit der Natur verbunden“ sein wollte. Dass Kirbachhof damals noch keinen Internetanschluss hatte, war für den IT-Berater Lüer ein Problem. „Der Telefonverteilerkasten trägt noch das Reichspost-Emblem“, erinnert er sich. Heute gibt es schnelles Internet per Funk. Nur wenn die erwachsene Tochter mal zu Besuch da ist, ist das LTE-Datenvolumen schnell aufgebraucht.

Lüers Frau ist Huforthopädin und hat selbst drei Pferde. Die beiden bauen mittlerweile auch ihr eigenes Gemüse an. Durch seine Nachbarn, einen Schweinemastbetrieb, einen Förster, eine Pferdepension und Weiberles Hofladen weiß Lüer, dass das Landleben nicht einfach ist. „Es ist deutlich härter, als man es in den einschlägigen Zeitschriften beschrieben bekommt. Wenn ich abends im Garten liege, bekomme ich ein schlechtes Gewissen, weil alle um mich herum noch arbeiten.“

Mönche, Herzöge, Soldaten

Geschichte
Es ist nicht ganz klar, wann die Propstei „Kirchbachhof“ gegründet wurde. Wahrscheinlich wurde sie im zwölften Jahrhundert an das Benediktinerkloster Odenheim im Bistum Speyer gestiftet. Im 15. Jahrhundert wurde es zum Kloster, löste sich aber im Jahr 1543 wegen Misswirtschaft auf. Herzog Eberhard III ließ östlich des Kirbachhofs in den 1660er Jahren einen Tiergarten zur Jagd mit dazugehörigem Jagdschloss anlegen. Nach einem Brand ließ es Herzog Carl Eugen 1750 wieder abreißen. Ein Artilleriegefecht im Zweiten Weltkrieg zerstörte alle landwirtschaftlichen Gebäude außer dem Forstamt und dem Försterhaus. 1973 wurde Kirbachhof zu Sachsenheim eingemeindet.

Gegenwart
Heute leben 21 Personen in Kirbachhof. Es gibt drei landwirtschaftliche Betriebe, einen Förster und einen Privathaushalt.