Google hat offenbar alles richtig gemacht: Der Ansturm auf Google Plus ist enorm. Und selbst Datenschützer loben den Facebook-Konkurrenten.

Digital Desk: Jörg Breithut (jbr)

Stuttgart - Dieses Mal hat Google anscheinend alles richtig gemacht. Spärlich hat der Online-Konzern die ersten Einladungen zum neuen sozialen Netzwerk Google Plus gestreut - und somit vielen Millionen neugierigen Nutzern einen Riegel vorgeschoben. Doch genau diese Neugier war es, die dem Suchmaschinen-Unternehmen nun einen enormen Zulauf beschert hat. Denn seit einigen Tagen hat Google die Barriere für neue Mitglieder wieder entfernt. Wer nun eingeladen wird, kann problemlos der neuen Plattform beitreten.

 

Der Ansturm war so groß, dass sogar die Entwickler überrascht wurden. Als aufgrund der vielen Zugriffe am vergangenen Wochenende die Google-Server überlastet waren, wendete sich der Social-Media-Chef von Google persönlich an die Mitglieder. Eine Festplatte sei voll gelaufen, schrieb Vic Gundotra in einem Kommentar bei Google Plus. Er entschuldigte sich für den Ausfall: "Solch hohe Schwellenwerte haben wir nach so kurzer Zeit nicht erwartet, das hätten wir aber tun sollen."

Seit dieser Woche ist klar: Google Plus ist ein aussichtsreicher Kandidat im Kampf um das weltweit beliebteste soziale Netzwerk. Vor allem Facebook sieht sich zum ersten Mal einem ernst zu nehmenden Konkurrenten gegenüber. Noch ist das Netzwerk von Mark Zuckerberg ungeschlagen an der Spitze mit insgesamt 750 Millionen Mitgliedern. Doch vieles spricht dafür, dass Google Plus weiter rasant wachsen wird.

Bisher hat Google keine Zahlen veröffentlicht. Hochrechnungen zufolge sollen bereits mehr als zehn Millionen Mitglieder angemeldet sein. Der Ahnenforscher Paul Allen hat ein eigenes Verfahren entwickelt, die Anzahl der Nutzer zu schätzen. Der US-Amerikaner hat die Häufigkeit der Vornamen in den USA mit den Namen der angemeldeten Nutzer bei Google Plus verglichen. Laut seinen Berechnungen könnte schon dieses Wochenende die 20-Millionen-Marke überschritten werden.

Die Pinnwand heißt bei Google "Stream"

Dabei hat Google das soziale Netzwerk nicht neu erfunden. Ganz im Gegenteil: die Funktionen erinnern stark an den Konkurrenten Facebook. So ist auch bei Google Plus die Pinnwand das zentrale Element. Google nennt es "Stream", doch auch hier tauchen chronologisch Textbotschaften, Bilder, Fotos oder Videos der Nutzer auf. Wie bei Facebook eben.

Die Entwickler bei Google haben allerdings genau beobachtet, wo es bei der Konkurrenz hakt - und machen vieles besser. Die Oberfläche wirkt im Vergleich zu Facebook wesentlich aufgeräumter und übersichtlicher. Die Hauptnavigation beschränkt sich auf wenige wesentliche Funktionen wie die "Circles" (Kreise), eine Funktion, mit der sich Google klar von der Konkurrenz abgrenzt. Die Circles sind eine Art virtuelles Abbild der gesellschaftlichen Kreise, in denen man sich auch außerhalb des Netzwerks bewegt.

Ob Familie, Freunde oder Kollegen: wer einen neuen Kontakt in seine Liste aufnimmt, muss ihn zunächst durch Ziehen mit der Maus einem entsprechenden virtuellen Umfeld zuordnen. Sobald man einen Beitrag veröffentlichen will, fragt Google Plus nach, für welche Kreise die Nachricht bestimmt ist. Für den Nutzer ist damit deutlich erkennbar, wer die Botschaften mitliest - eine einfache Methode, die Partybilder vom Vorabend lediglich für seine Freunde zugänglich zu machen, einen interessanten Online-Artikel an die Kollegen weiterzuleiten oder den Link zu einem Webvideo öffentlich ins Netz zu stellen.

Bei Facebook ist das nur umständlich zu kontrollieren. Zwar lassen sich die Kontakte über Listen verwalten. Doch kaum jemand macht sich die Mühe, jeden neuen Kontakt nachträglich in diese Listen einzugliedern.

Kategorisierung ist Pflicht bei Google

Google hingegen lässt den Nutzern keine Wahl: Die Kategorisierung der Kontakte ist Pflicht, die Mitglieder sollen die Verbreitung der Daten von Beginn an kontrollieren. Selbst Datenschützer stellen Google für diese Funktion ein gutes Zeugnis aus. Jörg Klingbeil, der Datenschutzbeauftragte für Baden-Württemberg, sagt: "Das ist ein Schritt in die richtige Richtung." Damit stärke Google das Bewusstsein der Nutzer dafür, dass sie über die Verbreitung ihrer Informationen nachdenken sollten. "Datenkrake hin oder her - beim Thema Datenschutz hat sich bei Google einiges bewegt", sagt Klingbeil. "Damit will sich Google positiv von Facebook abgrenzen."

Skeptisch steht er jedoch der Entwicklung gegenüber, dass Google immer mehr Daten der Nutzer anzapft. Neben der Suchmaschine, dem E-Mail-Programm Google Mail und dem Handybetriebssystem Android kommt nun auch noch das soziale Netzwerk hinzu. Es werde immer unübersichtlicher, welche Daten miteinander verknüpft werden, sagt Klingbeil. Man müsse "die weitere Entwicklung von Google Plus wachsam und kritisch verfolgen".

Ende dieses Monats soll Google Plus offiziell starten, und damit ein neues Netzwerk, das Google Daten zu den Verhaltensmustern seiner Kunden liefert. Von diesem Zeitpunkt an sammelt der Suchmaschinenriese nicht nur Informationen darüber, wo sich die anonyme Masse im Netz tummelt. Google gibt den Nutzern einen Namen und erfährt, in welchen Kreisen sie sich außerhalb der digitalen Welt bewegen.