Ausmisten und dabei Gutes tun: Sozialkaufhäuser wie Prag A und Zora in Stuttgart nehmen gebrauchte Kleider gerne an. Was brauchbar ist, wird weiterverkauft. Auch hochwertige Tages- und Abendgarderobe gibt es im Laden.

Stuttgart - Mit Tüten voll bepackt verlassen viele Jugendliche das Milaneo oder ziehen so durch die Königstraße. Kleidung muss heute nicht mehr lange halten, sie muss billig sein. Quantität ersetzt längst Qualität. Wenn etwas kaputt geht, wird es daher leichtfertig weggeworfen. Hat ja nichts gekostet. Längst gilt die Bekleidungsindustrie als die zweitdreckigste Branche der Welt – nach der Ölindustrie. Weniger kaufen ist eine umweltfreundliche Lösung, weniger wegwerfen die andere.

 

Doch wohin mit alten oder nicht mehr passenden Kleidern? „Wir nehmen alles an“, sagt Petra Reichelt von der Secondhand-Boutique Prag A in der Friedhofstraße. Was brauchbar ist, wird weiterverkauft. Hochwertige Tages- und Abendgarderobe habe man im Laden. „Ich kaufe nur noch hier ein“, sagt Reichelt.

Die 62-Jährige ist bei Prag A das, was Personalverantwortliche gerne in Stellenanzeigen suchen: Die eierlegende Wollmilchsau. Reichelt kümmert sich um alles. Dazu kommt: Sie arbeitet ehrenamtlich. In ihrer Freizeit knüpft sie Netzwerke, selbst wenn sie zur Apotheke geht, macht sie Werbung für „ihre“ Secondhandboutique.

Prag A ist ihr größtes und schönstes Projekt

Im Jahr 2001 hat Reichelt mit dem damaligen Diakon von St. Georg, Alfred Nicklaus, verschiedene soziale Projekte im Norden in Gang gesetzt. Das „größte und schwierigste, aber auch das schönste Projekt“ sei Prag A. Träger von Prag A ist die Caritas. Die Kleider kommen allesamt über Spenden. Verkauft werden sie von ehrenamtlichen Helferinnen oder von Frauen, die über verschiedene Maßnahmen des Jobcenters für sechs Monate in die Boutique am Pragfriedhof kommen.

Wer seine Kleider dort abgibt, tut also doppelt Gutes. Nein, dreifach. Denn Reichelt hat inzwischen schon wieder ein neues Projekt: Aus alten Kleidern und Stoffen Neues zu nähen wie Kissen, Handtaschen oder Accessoires. Zum Beispiel: An was nie jemand denkt, aber worauf Reichelt ganz stolz ist: ein handygroßes Täschchen in cremigem Weiß. „Für die Taschentücher bei einer Hochzeit“, fügt sie erklärend hinzu.

Langfristig möchte sie die Nähwerkstatt ausbauen, doch dafür fehlen ehrenamtliche Helferinnen, die nähen können und auch einen Blick dafür haben, was mit einem alten Kleidungsstück gemacht werden kann. Durch die Nähwerkstatt müsste man nämlich weniger von den Spenden wegwerfen. „Vieles, was wir bekommen, ist für den Verkauf nicht geeignet“, sagt Reichelt. Oft sei es tatsächlich Müll: abgetragen, schmutzig oder zerrissen. Diese Teile gebe man dann zu Fairkauf nach Feuerbach. Die werfen es in den Reißwolf. Aus der Werkstatt ist aber nun schon das eigene Label „busy bees“ entstanden, das Stoff- und Kleiderspenden verarbeitet. „Alles soll in den Kreislauf zurück und nicht achtlos weggeworfen werden“, sagt Petra Reichelt.

Viele trennen sich leichter von Altem, wenn es jemand anderes weiter benutzt

Oft geben Leute ihre Lieblingsstücke ja auch ungern her, tragen diese aber nicht mehr. „Viele trennen sich leichter, wenn sie wissen, jemand anderes zieht es an“, so die Erfahrung von Reichelt. Laut einer Umfrage unter Jugendlichen von Greenpeace ist jedes fünfte Kleidungsstück ungetragen. Hochgerechnet liegen laut Greenpeace also rund eine Million Kleidungsstücke nutzlos in irgendeinem Kleiderschrank.

Das Frauenunternehmen Zora betreibt gleich vier „soziale Läden“ im Stuttgarter Osten: drei Secondhandkaufhäuser, eines davon für Kinder, und einen Bücherladen. In den Kaufhäusern können während der Öffnungszeiten Kleiderspenden abgegeben werden. Sie werden überprüft, bewertet und stehen dann zum Verkauf. Einkaufen kann bei Zora jeder, „wir sind jedoch sehr bedacht im Armutsbereich der Kundinnen zu werben“, sagt Waltraud Streit, Geschäftsführerin von Zora. Oftmals gibt es Aktionen für Bonuscard-Inhaber, die einen zusätzlichen Rabatt bekommen. „Wir bekommen häufig sehr gute Sachen und haben einen großen Kundenstamm, der uns regelmäßig Spenden bringt“, sagt Geschäftsführerin Waltraud Streit. Mit den Kaufhäusern wollen sie einen Beitrag gegen die Wegwerfgesellschaft leisten: „Manchmal, wenn ich einen unserer Läden betrete, denke ich, es kann nicht wahr sein, wie viel unsere Gesellschaft produziert.“

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