Die evangelische und die katholische Kirche nehmen die aktuelle Politik der großen Koalition in den Blick: EKD und Bischofskonferenz fordern, auch bei der Rente mit 63 über den Tag hinaus zu denken.

Frankfurt - Die beiden großen Kirchen in Deutschland versuchen mit einem gemeinsamen Sozialpapier, die politische Debatte in Deutschland zu prägen. Sie verharren dabei nicht in abstrakten Analysen, sondern nehmen auch sehr konkret die aktuelle Politik der großen Koalition in den Blick. So wird die Einführung der Rente mit 63 von der evangelischen und der katholischen Kirche kritisch hinterfragt.

 

Robert Zollitsch, der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, zeigte sich mit Blick auf die Altersentwicklung skeptisch: „Die aktuell günstige Lage der Bundesrepublik darf keinesfalls dazu verleiten, sich in falscher Sicherheit zu fühlen und falsche Weichenstellungen vorzunehmen“, sagte Zollitsch. Die günstige Situation der Sozialkassen verführe dazu, großzügig mit diesen Mitteln umzugehen. Diese „Verführungskraft“ zeige sich bei der Rente mit 63.

Die Kirchen fordern eine strengere Bankenaufsicht

Der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche (EKD), Nikolaus Schneider, schlug in die gleiche Kerbe. Man teile die Skepsis, und begrüße auch die Rente mit 67. Es sei aber auch klar, dass die Politik nicht aus der Verantwortung entlassen werden könne, es den Menschen zu ermöglichen, dieses Renteneintrittsalter auch zu erreichen. Andernfalls sei die Rente mit 67 nur eine „verkappte Rentenkürzung“. Außerdem müsse „mit Billigbezahlung Schluss gemacht“ werden. Die ebenfalls umstrittene Anhebung der Rente für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, wird hingegen von den Kirchen begrüßt, weil damit der Beitrag der Familie für den Zusammenhalt der Gesellschaft honoriert werde.

Zentrales Anliegen dieser „Ökumenischen Sozialinitiative“ sei es, „stärker über den Tag hinaus zu denken“, sagte Zollitsch. Vor diesem Hintergrund seien auch nachdenkliche Bemerkungen zur Energiewende angebracht. „Trotz der unbestreitbaren Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieses Mammutprojektes dürfen wir das Ziel – den Klimaschutz, die Bewahrung der Schöpfung – nicht aus den Augen verlieren“, sagte Zollitsch.

In dem Papier fordern die beiden Kirchen auch eine strengere internationale Bankenaufsicht und rechtliche Konsequenzen aus der Finanzmarkt- und der Euro-Krise. Hart gehen sie mit „der Ideologie der Deregulierung“ ins Gericht. Diese sei durch die Ereignisse der vergangenen Jahre widerlegt worden. Wirtschaftliches Handeln sei kein Selbstzweck, Gewinnmaximierung um jeden Preis nicht zu akzeptieren. Es könne auch nicht hingenommen werden, dass unter den gegenwärtigen Bedingungen des weltweiten Wirtschaftens „Menschen nicht nur leiden, sondern auch sterben“, sagte Schneider.

Das Projekt Europa soll nicht scheitern

Der Staat müsse Investoren, Manager und Unternehmer dazu verpflichten, für ihre Entscheidungen auch zu haften, heißt es in dem Papier. Um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu fördern und die Moral der Ehrlichen zu stärken sei außerdem ein verschärftes Vorgehen gegen Steuerbetrug notwendig. Den Kirchen schwebt vor diesem Hintergrund die Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft als Ordnungsrahmen globalen Handelns vor.

Für die Euro-Zone fordern die Kirchen ebenfalls einen soliden politischen Rahmen, der Regeln und Sozialstandards festlegt. Eine gemeinsame Währung habe sonst auf Dauer keine Zukunft. Das „Projekt Europa“ dürfe nicht an nationalen Egoismen in finanz- und geldpolitischen Fragen scheitern. Deshalb sei es auch richtig, dass Deutschlands für Risiken von Maßnahmen haftet, die der Stabilisierung von Krisenländern dienen. Die Entschuldung der nationalen Haushalte sei zwar als Zielvorgabe richtig, dürfe aber nicht auf dem Rücken der Sparer und Schwachen erfolgen.