Seit bald 68 Jahren ist der Krieg vorbei. Doch in Freiburg ist auf einem Grab immer noch ein Hakenkreuz zu finden – und zwar auf dem des Großvaters des Freiburger CDU-Kandidaten Matern Marschall von Bieberstein. Dem Enkel ist das jetzt peinlich.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Wer in der Öffentlichkeit steht, wird nicht selten auch mit der dunklen Vergangenheit seiner Vorfahren konfrontiert. Matern Marschall von Bieberstein aus March-Neuershausen bei Freiburg ist am 26. Oktober vergangenen Jahres für viele überraschend zum Bundestagskandidaten der CDU für den Wahlkreis Freiburg gewählt worden. Mit konservativem Profil und klaren Ansagen, dass Heimat und Familie und nicht etwa „grüner Lifestyle“ im Zentrum seines Wertesystems stünden, gewann der stellvertretende Kreisjägermeister und Spross eines uralten, ursprünglich aus Sachsen stammenden Adelsgeschlechts die Sympathien der CDU-Mitglieder.

 

Einen Tag vor dem Totensonntag, am 24. November 2012, druckte die Lokalzeitung ein Bild der Grabstätte der ehemaligen Grundherren des Dorfes zwischen Kaiserstuhl und Freiburg ab. Einer der Grabsteine, 1935 aufgestellt für Materns Großvater Wilhelm Pleickart von Biberstein, trägt nicht nur das Familienwappen, sondern auch ein Hakenkreuz und die Aufschrift „Und ihr habt doch gesiegt“. Dies ist der trotzige Spruch, den die Nationalsozialisten ihren „alten Kämpfern“ gerne ins Grab gerufen haben.

„Nicht schön, wenn der Großvater ein Nazi war“

„Nicht schön, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, dass sein Großvater ein Nazi war“, betont der Enkel. Natürlich verabscheue er „die menschenverachtende Ideologie“ und verneige sich „in Scham vor den Opfern nationalsozialistischer Verbrechen“. Dass ein Hakenkreuz auch mehr als 67 Jahre nach Kriegsende noch ein Familiengrab zieren soll, ist den Nachkommen nach zwei Monaten Bedenkzeit nun nicht mehr recht, nachdem man sich zunächst darauf berufen hatte, dass sich bisher niemand daran gestört hat. So habe es auch der Ortschaftsrat von March-Neuershausen gesehen, der sich 1993 anlässlich der Stilllegung der Grablege mit dem Hakenkreuz auf dem Gedenkstein befasst hatte.

Ein Hakenkreuz ist nicht irgendein Zeichen, sondern verfassungswidrig und wenn es zu Propagandazwecken gezeigt wird, nach Paragraf 86 des Strafgesetzbuches strafwürdig. Es gab schon Staatsanwälte, die gegen zweifelsfrei antifaschistische Karikaturen und Embleme vorgegangen sind, selbst wenn das Hakenkreuz durchgestrichen war. Ein Hakenkreuz auf einem Grabmal von 1935 ist wohl aber keine Angelegenheit für den Staatsanwalt, sondern für die Denkmalpflege. „Grundsätzlich sind auch Objekte dieser Zeit Zeugnisse einer historischen Epoche, die nach wissenschaftlichen, aber auch heimatgeschichtlichen und künstlerischen Gesichtspunkten bewertet werden“, sagt Nadine Hilber von der Landesdenkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart.

Darf man das Hakenkreuz einfach abschlagen?

So seien etwa Luftschutzbunker in Mannheim und Reutlingen, Kasernen und sogar eine für die SS angelegte Wohnsiedlung in Ellwangen (Ostalbkreis) unter Denkmalschutz gestellt worden. Dabei sei es „nicht relevant, ob es an den Objekten noch sichtbare Hakenkreuze gibt“. In Waldkirch (Kreis Emmendingen) wollte die Gemeinde eine Wandmalerei im Rathaus entfernen lassen, musste sich aber damit begnügen, einen Vorhang anzubringen.

Was aber soll nun mit dem Hakenkreuz am Grab der Bibersteins passieren? „Wir werden das in nächster Zeit prüfen“, sagt Wolfgang Kaiser vom Referat Denkmalpflege des Regierungspräsidiums Freiburg, nachdem jetzt schon zum zweiten Mal darüber in der Zeitung berichtet wird.

Der CDU-Bundestagskandidat will das Symbol entfernen

Bisher steht das Bieberstein-Grab allerdings gar nicht auf der 1974 erstellten Denkmalschutzliste. Aber einfach abklopfen lassen – so wie es fast überall nach dem Krieg geschah – können die Biebersteins Emblem und Spruch der Nazis nun nicht mehr.

Ganz einig ist sich die Familie jedoch nicht. Materns Bruder Alexander von Bieberstein, zuständig für die Pflege des Familiengrabes, will einen Dialog mit den Verbänden der Opfer des Naziregimes. Der Bundestagskandidat Matern von Bieberstein hingegen möchte keine längere Diskussion, sondern eine rasche Lösung. Das historische Zeugnis sei zweitrangig, „gegenüber der möglichen Kränkung auch nur eines einzelnen betroffenen Menschen angesichts dieses schrecklichen Symbols“.