Handball-Europameister, Weltmeister im Basketball und erfolgreicher Fußballnachwuchs – die spanischen Teams sind eine Wucht in den Teamsportarten, an der man kaum vorbeikommt. Woran liegt das?

Stuttgart - Am Geld kann es nicht liegen, zumindest nicht an dem aus staatlichen Kassen, denn davon fließt in der spanischen Spitzensportförderung kaum etwas. Trotzdem ist die südeuropäische Nation in zahlreichen Mannschafts- und Individualsportarten erfolgreich. Woran das liegt, darauf finden Sportexperten keine einfachen Antworten. Ein wichtiger Moment in der jüngeren Geschichte sei entscheidend für die spanischen Sporterfolge gewesen sagt Pedro Calles, der Trainer vom Basketball-Bundesligisten Rasta Vechta: „Der erste waren die Olympischen Spiele in Barcelona 1992. Die Ausrichtung dieses Großereignisses hat die Mentalität und Richtung im spanischen Sport vollkommen verändert.“ Damals, sagt Calles, habe das Land viel Geld investiert, um die die sportliche Infrastruktur auszubauen.

 

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Fakt ist allerdings, mit der Wirtschaftskrise in Spanien 2010 kürzte der Hohe Sportrat (Consejo Superior de Deportes) seine Zuschüsse, seitdem fließen etwa 85 Millionen Euro jährlich. Zum Vergleich: Der Sportausschuss im Bundestag genehmigte im September 2019 Bundesmittel der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Sports in Höhe von 526,1 Millionen Euro. In Spanien hoffte man erneut auf den Zuschlag für Olympia in Madrid, denn Barcelona 1992 hatte einen Riesenschub gegeben. Doch die Spiele finden in diesem Jahr in Tokio statt.

Jugendförderung ist ausbaufähig

„Als Nachwuchsspieler musste ich meine Tickets selbst zahlen oder die Eltern übernahmen die Fahrtkosten“, erinnert sich Guillermo Naranjo Hernández, ehemaliger Coach der Stuttgarter Volleyballerinnen, heute beim SC Potsdam. Selbst absolute Spitzenathleten bekämen keine staatliche Unterstützung, was zumindest für Ballsportarten wie Fußball, Handball oder Basketball eher ein kleineres Problem darstellt: Die Weltmeister und Europameister haben ein dichtes Netz an Sponsoren.

Die Spitzenvereine haben sich dabei längst selbst zu rentablen Unternehmen entwickelt, wie eben bei den Fußballern, hier schaffen sich die bekannten Vereine wie der FC Barcelona selbst die notwendige Infrastruktur aus Trainingszentren, Hallen und Plätzen. Der FC Barcelona unterhält in allen drei Ballsportarten erfolgreiche Teams, die vor allem von den Einnahmen aus dem Fußball profitieren. Sie bilden ihre eigenen Spitzenspieler aus, die Sportakademie der Katalanen ist weltberühmt.

Mannschaften und Sportler, die wie Guillermo Naranjo Hernández von einer Insel stammen, in diesem Fall Santa Cruz, erhalten einen kleinen finanziellen Ausgleich vom Sportrat, da die Anreise zu nationalen Turnieren teuerer ist. Auf diesem Weg müssen junge Athleten nicht auf die Reisen zu Wettbewerben verzichten. Auch wenn der Großteil der Last am Geldbeutel der Eltern hängt.

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Wie sieht es sonst mit der Jugendförderung aus? Auch da sei man in Deutschland besser aufgestellt, meint Hernández: „Allein schon die Sporterziehung in der Schule ist hier breiter aufgestellt.“ Der EM-Titel im Handball lässt kein Ausruhen zu, schließlich das Team trägt nicht umsonst den Spitznamen „Golden Oldies“. Der spanische Handball-Bundesliga-Trainer, Carlos Ortega (TSV Hannover-Burgdorf), mahnt deshalb seine Landsleute: „In den nächsten Jahren muss es eine Hauptaufgabe für den spanischen Handball sein, den Umbruch von der goldenen Generation in die zukünftige schnell und erfolgreich zu meistern.“

Aus dem Vollen schöpfen kann man in dem Land mit 46 Millionen Einwohnern. Die Spanier seien ein aktives Volk, fast jeder betreibe irgendeinen Sport, sagt Hernández. „In unserer Kultur spielt der Sport eine enorm wichtige Rolle“, stimmt Rasta-Trainer Calles zu. „Wir sind extrem leidenschaftlich und strotzen vor Kampfgeist“, meint der Volleyball-Coach. Aufgeben sei keine Option für Spanier. „Schau dir Rafael Nadal bei den Australien Open an, er würde auf dem Platz eher sterben als unterzugehen.“ Der Erfolg ermögliche den Sportlern, durch ihr Hobby den Lebensunterhalt zu verdienen.

Spanische Sportler wollen den Medaillenspiegel aufpolieren

Im Fußball wächst gerade eine neue Generation heran, die viel verspricht. Die Kicker überzeugten 2017 (Vize-Europameister) und zuletzt 2019 (U-21-Europameister) unter dem aktuellen Trainer Luis de la Fuente. Ebenso gut lief es für die Wasserballer beider Geschlechter. Die Männer mussten sich am Sonntag im EM-Finale Ungarn erst nach Penaltywerfen geschlagen geben, die Frauen sind Europameisterinnen.

Ein weiterer Erfolgsgrund für die Iberer in allen Sportarten: Der große Zusammenhalt. Gewinnt Nadal, gratulieren die Fußballer. Holen die Handballer Gold, gratuliert Fernando Alonso. Nationalstolz und dazu der Wille, Einzelinteressen in der Mannschaft dem Kollektiv unterzuordnen – das zeichnet die spanischen Teamsportler aus.

Nun gilt es in diesem Jahr, die Stärke in den Mannschaftssportarten auch bei den Olympischen Sommerspielen zu beweisen. Im ewigen Medaillenspiegel rangiert die südeuropäische Nation nur auf Rang 25, in Rio de Janeiro vor vier Jahren lag Spanien auf Platz 14.