Die Digitalisierung und die Zinspolitik der EZB setzen die Sparkassen im Land unter Druck. Trotzdem ist die Ertragslage stabil.

Stuttgart - Trotz der guten Konjunktur stehen die Sparkassen in Baden-Württemberg unter Druck. Schuld daran ist nicht nur die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), sondern auch der Wandel der Branche – weg von der Filiale, hin zum Internet. Als große Herausforderung bezeichnete Verbandspräsident Peter Schneider die Digitalisierung der Bankgeschäfte, die bereits in vollem Gang ist. „Dies spüren wir deutlich an der Kundenfrequenz“, sagte er. Da viele Kunden mittlerweile per App und Smartphone auf ihr Konto zugreifen, fällt der Besuch in der Geschäftsstelle oft aus. In Zahlen: „Zum Geldautomaten kommen sie zweimal im Monat und in die klassische Filiale einmal – wohlgemerkt im Jahr“, sagte Schneider.

 

Der Sparkassenpräsident glaubt, dass dieser Trend anhalten wird, rechnet aber nicht mit Filialschließungen im großen Stil. „Die große Welle ist vorbei“, sagte Schneider vielmehr. Ende vorigen Jahres haben die Sparkassen in Baden-Württemberg 2100 Filialen betrieben, 56 weniger als ein Jahr zuvor. Innerhalb von fünf Jahren haben die Sparkassen jede siebte Geschäftsstelle geschlossen.

Die Sparkassen setzen auf ihre Beratungskompetenz

Damit einher ging auch ein Abbau des Personals. Gegenwärtig arbeiten noch 32 650 Männer und Frauen für die Organisation – gegenüber noch fast 36 000 Mitarbeitern vor fünf Jahren. Verbandsgeschäftsführer Joachim Herrmann glaubt, dass sich der rückläufige Trend fortsetzen wird, unter anderem aufgrund der Standardisierung vieler Vorgänge via Computer und neuer Handy- und Online-Bezahlsysteme. Trotzdem wollen die Institute weiter ihre Beratungskompetenz in den Mittelpunkt stellen, die Umfragen zufolge von den Kunden geschätzt wird, und dafür auch Personal bereithalten. Für Schneider steht das nicht im Widerspruch zum Home-Banking, das viele Kunden bevorzugen. Beratung gebe es nicht nur in der Filiale, sagte er, sondern auch online und am Telefon.

Der Zinsüberschuss der Sparkassen ist im vergangenen Jahr aufgrund der Nullzinspolitik der EZB weiter auf nunmehr knapp 3,3 Milliarden Euro gesunken. Der Anteil an der durchschnittlichen Bilanzsumme macht nach dem dritten Rückgang in Folge noch 1,75 Prozent aus. Trotzdem sind Negativzinsen für Privatkunden für Schneider kein Gegenmittel. „Wir wollen so lange wie irgendwie möglich Negativzinsen vermeiden“, sagte der Sparkassenchef.

Die Kreditvergabe ist binnen zehn Jahren um ein Drittel gestiegen

Aufgrund der Ausweitung des Geschäfts sowie höherer Gebühren konnte der geringere Zinsüberschuss aber fast ausgeglichen werden. Das Betriebsergebnis ohne Berücksichtigung des Bewertungsergebnisses lag mit 1,6 Milliarden Euro auf Vorjahreshöhe. Ungewöhnlich ist, dass das Bewertungsergebnis den Gewinn des vergangenen Jahres durch Zuschreibungen auf Kredite und Wertpapiere erhöht hat – auf 1,7 Milliarden Euro. Üblicherweise ist das Bewertungsergebnis wegen der Risikovorsorge im Kreditgeschäft negativ. Abzüglich der Steuern wird bei den 51 Sparkassen in Baden-Württemberg voraussichtlich ein Nettogewinn von 1,2 Milliarden Euro zu Buche stehen, der zur Stärkung der Kapitalbasis verwendet werden soll.

Sowohl die Einlagen als auch die Kredite sind im vorigen Jahr gestiegen. Die Firmenkredite standen zum Jahresultimo mit 58,7 Milliarden Euro in der Bilanz. Das sind 6,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Hierbei sind Rückzahlungen und Sonderzahlungen sogar schon abgezogen. Das ist nach Schneiders Worten der höchste Zuwachs seit Ausbruch der Finanzkrise 2007/08. Damals ging auch in Deutschland die Angst vor einer Kreditklemme um. Innerhalb dieser zehn Jahre haben die Südwest-Sparkassen die Kreditvergabe an die Unternehmen um mehr als ein Drittel ausgeweitet.