Tom Buhrow, seit einem Jahr Intendant des WDR, muss drastisch sparen. Das soll mit massiven Stellenstreichungen gelingen. Auch den Programminhalten des Fernsehsenders wird man die Kürzungen ansehen.

Köln - Mit halbstündiger Verspätung hetzt Tom Buhrow nebst Geschäftsleitungsentourage in den Konferenzsaal im fünften Stock der WDR-Arkaden in Köln. Es sei später geworden, entschuldigt sich der Intendant bei den eilig eingeladenen Reportern, aber er bringe ja auch „heiße News“ mit aus der Personalversammlung, die ihn zuvor so sehr in Beschlag genommen hat. Auf wirklich „heiße News“ wartet man dann in den folgenden siebzig Minuten, in denen Buhrow an seiner „großen strukturellen Umstrukturierung“ teilhaben lässt, aber vergebens.

 

Exakt vor einem Jahr, am 1. Juli, trat der frühere News-Anchor der „Tagesthemen“ sein Amt als Intendant der mächtigsten ARD-Anstalt an. Er versprach „ich bringe die Liebe mit“ – und blickte, Liebe zum Sender hin oder her, schon hundert Tage später in einen „gigantischen strukturellen Abgrund“, der dazu zwinge, den Gürtel enger zu schnallen. Ein Milliardenloch werde sich in den nächsten zehn Jahren bilden, prophezeite Buhrow. Schon damals war von Stellenabbau beim WDR die Rede. Seit zwei Wochen ist offiziell, dass bis 2020 im Sender 500 Stellen nicht nachbesetzt werden. Wo sind also jetzt die „heißen News“, wenn Buhrow am Dienstag in Köln eingangs schwadroniert: „Der WDR ist entschlossen unterwegs“ und „Wir haben uns den sinkenden Einnahmen gestellt“?

Die Entschlossenheit, das wird nach und nach deutlich, zeigt sich nicht nur in der bereits verkündeten Personalkürzung, die nicht einmal zur Hälfte ausreicht, um das jährliche Etatdefizit von 100 Millionen Euro wettzumachen. Man wird sie auch im WDR-Programm sehen und hören. Vom Fernsehdirektor Jörg Schönenborn stammt die bildhafte Umschreibung: „Der Deckel, der sich senkt, senkt sich überall.“

Die Kultur will Buhrow „nicht über Gebühr“ belasten

So zum Beispiel bei den lokalen News, die der WDR bisher montags bis samstags in elf Studios in NRW produziert. Mit mehr als sechzig Millionen Euro pro Jahr stellt die „Lokalzeit“ den größten Kostenposten im WDR-Haushalt dar. Ab Januar wird es sie samstags nicht mehr in elffacher Ausführung geben, sondern nur noch einfach aus einem Studio als „Weekend“-Ausgabe. Auch der „Bericht aus Brüssel“ verschwindet zugunsten des „Europamagazins“, das vom Samstagnachmittag auf den Sendeplatz hinter den sonntäglichen „Presseclub“ wandert.

Kulturinteressierte scheinen indes aufatmen zu können. „Wir werden die Kultur nicht über Gebühr belasten“, verspricht Buhrow. Die Orchester blieben ebenso unangetastet wie die Hochkultur. Und auch wenn sich die frisch aus München engagierte Hörfunkdirektorin Valerie Weber fragt, wie man die Jungen für Kultur begeistern könne – das Modell des Bayerischen Rundfunks, die Klassik samt ihren eher älteren Zuhörern ins Digitale abzuschieben, komme für sie eindeutig nicht in Frage.

Auch Webers TV-Kollege Schönenborn schlägt sich mit dem Problem herum, wie er sein Programm und seine Zuschauer verjüngen könne. Zwar habe das WDR-Dritte das Vorjahr mit 7,6 Prozent Marktanteil erfolgreich wie seit Jahren nicht abgeschlossen, aber trotzdem in absoluten Zahlen Zuschauer verloren. Deshalb wolle er jetzt mit Vehemenz den Fokus auf die Vierzig- bis Sechzigjährigen setzen und ihnen Sendungen bieten, die „ein bisschen mehr Spaß“ bringen als bisher. Als Hauptspaßlieferanten haben Schönenborn und sein Intendant offenbar Jan Böhmermann auserkoren. Am 22. Juli startet dessen neue Ensemble-Comedy. Auf seinen schmalen Schultern soll also die Aufgabe lasten, der seit langem ziemlich spaßlosen Unterhaltung im WDR neuen Schwung zu geben. Fragt sich, was Tom Buhrow bei allem Spardruck an Schwung ins zweite Amtsjahr mitnimmt. Er sei einerseits schon ernüchtert, gab der Intendant zu. Die Umstrukturierungsprozesse dauerten länger als gedacht. Andererseits: „Ich will, dass klar wird, dass der WDR in Bewegung ist.“ Vom Kurs der Transparenz und Offenheit, der ihn von seiner Vorgängerin unterscheidet, will er offenbar nicht abrücken. Sein Haus sei keine Burg mit hochgezogenen Zugbrücken, sagte Buhrow. Der WDR stelle sich auf dem Marktplatz der Kritik.

Und was ist von der Liebe geblieben, die er vor einem Jahr mitbringen wollte? Ist sie bei Buhrows Team angekommen? Jörg Schönenborn spürt es ganz deutlich: Ja. „Die Liebe zum WDR empfinde ich bei uns allen geweckt.“ Wenn das keine heißen News sind.