Eine mögliche Koalition mit der Linkspartei scheint Wähler an der Saar zur Union getrieben zu haben. Nun muss die SPD ihre Optionen für die Bundestagswahl überdenken.

Berlin - Die Euphorie ist erst mal weg. Im Willy-Brandt-Haus erhält die SPD-Führungsmannschaft rund um den neuen Vorsitzenden Martin Schulz zwar langen Applaus, aber er klingt eher nach Respekt als nach Begeisterung, als die saarländische Spitzenkandidatin Anke Rehlinger den obligatorischen Blumenstrauß bekommt. Der Vortag habe, so Schulz, „nicht das Ergebnis gebracht, das wir uns gewünscht hätten“. So weit sind sich alle schnell einig. Nur welche Schlüsse sind daraus zu ziehen?

 

Nachdenklich stimmt die Partei weniger das prozentuale Ergebnis, das mit knapp 30 Prozent viel höher als in den Umfragen vom Januar lag. Gedanken macht man sich darüber, dass die einzige echte Alternative zur großen Koalition an der Saar eine mit der Linkspartei gewesen wäre, was aber offenbar viele Nichtwähler in die Arme der CDU getrieben hat. Ist das nur ein „saarspezifisches Phänomen“, wie Martin Schulz es ausdrückt? Er sieht in der Person Oskar Lafontaine einen Grund für die besondere Skepsis gegenüber linken Anbandeleien im Saarland. Bei den nächsten Landtagswahlkämpfen in Schleswig-Holstein und NRW seien die Karten ganz neu gemischt.

SPD will alle Koalitionskarten auf dem Tisch lassen

Klar ist aber am Montag, dass die Parteispitze keinerlei Absagen in welche Richtung auch immer erteilen wird. In den Worten des Parteivizes Ralf Stegner hört sich das so an: „Es ist der gemeinsame Traum von Peter Tauber, dem CDU-Generalsekretär, und Sahra Wagenknecht, der Spitzenkandidatin der Linken, dass wir bis zur Bundestagswahl immer nur über Rot-Rot-Grün reden. Genau das werden wir nicht tun, denn das nutzt nur anderen – und auf dem Stimmzettel stehen keine Koalitionen.“ Stegner sagte unserer Zeitung, die SPD werde „definitiv keinen Koalitionswahlkampf führen, sondern stets für unsere Inhalte kämpfen.“ Dabei glaubt Schulz’ Stellvertreter, dass die SPD schon bald wieder jubeln könne. Sein Argument: „Die saarländische Alternative zwischen großer Koalition oder Rot-Rot stellt sich so in keinem anderen Bundesland.“ In Kiel und Düsseldorf zeige sich, „wie viele verschiedene Optionen nach der Bundestagswahl möglich sein können“.

Alle Koalitionskarten auf dem Tisch lassen, ist das eine. Eine ganz andere Frage ist, ob es für die SPD reicht, allein auf das Thema soziale Gerechtigkeit zu setzen. So unfair behandelt, wie es ihnen die SPD einreden wollte, schienen sich viele Saarländer nicht zu fühlen. Fehlt also neben der SPD-Kernkompetenz der sozialen Gerechtigkeit ein stärker ökonomisches Standbein? Noch macht niemand in der SPD dieses Fass auf. Stegner scheint da kein Problem zu sehen. Er sagt: „Die SPD hat immer die Überzeugung vertreten, dass Gerechtigkeit und wirtschaftliche Stärke zusammengehören.“ Doch es bleibt die Befürchtung, dass die Partei das Thema einer Zusammenarbeit mit den Linken nicht mehr abschütteln kann.

Die Linke warnt: „Eiern wird nicht belohnt“

Schon deshalb nicht, weil die Linke die SPD da nicht entkommen lässt. Linksparteichef Bernd Riexinger widerspricht der These, mit der Saarlandwahl habe sich das Rot-Rot-Grün-Thema erledigt. Das nennt er eine „falsche Analyse“. Nur ein Prozent mehr für die Grünen und das Projekt hätte tief im Westen Fuß gefasst. Die Linkspartei werde weiter auf den „Politikwechsel“ setzen, sagte er unserer Zeitung. Er hätte auch kein Verständnis dafür, wenn die SPD dieses Ziel defensiver verkaufte. „Dann ist die Gefahr groß, dass die Situation der Gabriel-SPD wiederkommt, wo sich die Wähler von der Aussicht auf die nächste große Koalition gelangweilt abgewendet haben.“ Deshalb findet Riexinger, dass eine stärkere Polarisierung allen Parteien guttut. „Eiern wird nicht belohnt.“

Aber zum linken Dreierbündnis gehören eben auch die Grünen, und die sind völlig von der Rolle. Bei den Großthemen kommen sie nicht vor. Das soll anders werden. Katrin-Göring-Eckardt, die Co-Spitzenkandidatin im Bundestagswahlkampf, sagte gestern, die Ökologie sei zur „Existenzfrage“ geworden. Dies wollten die Grünen den Bürgern verstärkt deutlich machen. Diesen Themenwechsel muss die Partei hinbekommen.