Das Interview von Juso-Chef Kevin Kühnert zum Sozialismus gebe nicht die Parteilinie wieder, betont der Vorsitzende der baden-württembergischen SPD-Fraktion, Andreas Stoch. Es sei zudem nicht im Interesse der Partei, Debatten „derart provokant“ zu führen.

Berlin - Kühnerts Position passe in die Programmatik der Jusos, sagt A ndreas Stoch, Chef der Landes -SPD. Sie nütze der Partei aber im Moment wenig

 

Herr Stoch, spricht der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert der SPD aus dem Herzen?

Herr Kühnert hat ein Interview gegeben, in dem er seine Vorstellungen, möglicherweise auch Utopien vertreten hat. Wer einmal bei den Jusos war, weiß, dass dort auch eine Debatte geführt wird, welches Wirtschaftsmodell das richtige und für die Menschen beste ist. Kevin Kühnert hat von einem sozialistischen Wirtschaftsmodell und Kollektivierung gesprochen. Das ist definitiv nicht die Position der SPD. Aber das ist eine Position, die zur Programmatik der Jusos gehört, deswegen überrascht mich das nicht. Ich bin nur verwundert über den Entsetzensschrei, der jetzt zu hören ist.

Teilen Sie keinen seiner Punkte?

Unser aktuelles Wirtschaftsmodell beruht ganz wesentlich darauf, dass Rohstoffe in unendlichem Maß vorhanden sind. Da müssen wir uns doch fragen, ob dieses Modell das richtige ist, was den Umgang mit unserem Planeten angeht. Das betrifft aber auch die Frage, ob alle gleichermaßen davon profitieren. Da lautet die Antwort: Nein! Ich will das aktuelle Wirtschaftsmodell nicht umstoßen. Es muss aber so reformiert werden, dass wir diese Probleme im Interesse der Menschen lösen.

Kühnert hat also einen Nerv getroffen?

Wir müssen bei so wichtigen Themen wie beispielsweise dem Wohnen die Frage beantworten, ob mit diesem Grundbedürfnis privatwirtschaftlich Gewinn erwirtschaftet werden soll. Ich denke, dass private Unternehmen Teil des Wohnungsmarkts sein dürfen und nicht allein der Staat der beste Vermieter ist. Wenn wir begreifen, dass Wohnen ein Teil der Daseinsvorsorge ist, dann reicht es nicht, Wohnen den Marktgesetzlichkeiten zu unterwerfen. Da bleiben manche auf der Strecke, wenn allein die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht. Wir brauchen also genossenschaftliche Modelle, kommunales Wohneigentum und einen privaten Markt.

Gehört es zur Rolle eines Juso-Vorsitzenden, auch die eigenen Reihen zu provozieren?

Es ist ganz sicher seine Aufgabe, Diskussionsanstöße zu geben. Die Jusos spielen da eine wichtige Rolle. Aber es ist nicht so, dass ein solcher Impuls gleichbedeutend mit einer programmatischen Forderung ist, die von der Partei übernommen und in konkrete Politik umgesetzt wird. Das darf nicht verwechselt werden.

Warum gelingt es der SPD-Spitze nicht, ein solches Echo wie Kühnert zu erzeugen, wenn es um die Frage der Ausrichtung der Partei geht?

Je provokanter die These, desto hektischer und plakativer ist die anschließende Diskussion. Ich glaube nicht, dass die Parteispitze ein Interesse an plakativen Schwarz-Weiß-Diskussionen hat. Wir müssen programmatische Anstöße geben, die tatsächlich kurz- oder mittelfristig umgesetzt werden können. Da fallen mir als Themen etwa die Bezahlbarkeit von Pflege und Wohnen ein, bei denen wir uns als SPD abgrenzen können. Wir müssen nicht mit dem Baseballschläger durch die Lande ziehen und derart provokant agieren, wie Kühnert es in seiner Rolle als Juso-Vorsitzender tut.

Schadet er damit jetzt der SPD bei der Europawahl?

Ich möchte das Interview nicht überbewerten, es nützt der SPD im Moment jedoch nicht sonderlich. Es überrascht mich auch nicht, wenn in konservativen Medien und im Feld der politischen Mitbewerber jetzt versucht wird, das auszuschlachten. Ich denke aber nicht, dass von einem einzelnen Interview des Juso-Vorsitzenden die Stimmabgabe bei der Europawahl abhängt, insbesondere da es sich nicht um die Position der SPD handelt.