Der SPD-Ortsverein Vaihingen hat am Donnerstagabend angeregt über Chancen und Risiken einer großen Koalition diskutiert. Nicht nur beim designierten Innenminister Horst Seehofer schrillen bei einigen die Alarmglocken.

Stuttgart - Ja. Nein. Vielleicht. Mit diesen Wörtern wurde unter Teenagern schon manche Beziehung angebahnt. Im Vereinsraum 3 des Häussler Bürgerforums, wo drei mit „Ja“, „Nein“ und einem Fragezeichen gekennzeichnete Stühle bereitstehen, geht es am Donnerstag ebenfalls um eine Liaison: die Groko. Dass Liebe in dieser Partnerschaft kaum eine Rolle spielen würde, darüber sind sich die zwei Dutzend Sozialdemokraten, die sich auf Einladung des Ortsvereinsvorsitzenden Walter Siek zur Mitgliederversammlung eingefunden haben, einig. Über den richtigen Weg zur Erneuerung der Partei gehen die Meinungen auseinander.

 

Josef Kwasniowski ist bereits seit 51 Jahren Parteimitglied. Zielstrebig wählt er den Platz auf der „Nein“-Seite. „Ich trage viele Argumente der Jusos mit und lehne eine Groko aus der derzeitigen Situation heraus ab“, stellt der 70-Jährige klar. Er erinnert an Zeiten, als sich die SPD für Themen wie die Erwerbstätigkeit von Frauen ohne Einwilligung des Mannes oder die Öffnung der Rente für Selbstständige stark machte. Kwasniowski vermisst aktuell das sozialdemokratische Profil bei der Partei. Zudem beklagt er die „Gutsherrenmanier“, mit der die Repräsentanten der Partei agierten. Eine gemeinsame Regierung mit der CDU/CSU sei auch deshalb kein Weg aus dem Umfragetief da die SPD nicht als starker Partner wahrgenommen werde, sagt er. „Am Wochenende bin ich in der Schwabengalerie einigen CDU-Funktionären begegnet und musste ich mir regelrecht mitleidige Bemerkungen anhören.“ Martin Rück versteht diese herablassende Haltung nicht: „In der Öffentlichkeit wurde es doch eher so wahrgenommen, dass wir die Kanzlerin über den Tisch gezogen haben“, sagt er. „Wenn ich von Groko-Gegnern höre, was alles im Koalitionsvertrag fehle, dann frage ich mich übrigens, wie sie das, was wir einbringen konnten, in der Opposition durchsetzen wollen. Vielleicht müssen wir eine Kröte schlucken, aber an der Groko führt kein Weg vorbei.“ Für Bezirksbeirat Linus Fuchs hat diese Kröte einen Namen. „Bei einem Innenminister Seehofer ist für mich eigentlich die rote Linie erreicht“, seufzt er.

Leichte Tendenz zur Groko

Die ehemalige Stuttgarter SPD-Fraktionschefin Roswitha Blind sieht die SPD entschieden auf dem richtigen Weg. „Wenn der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie im Koalitionsvertrag eine klare Schieflage in Richtung Umverteilung wahrnimmt, dann bedeutet das, dass wir unsere Handschrift einbringen konnten.“ Nur: Kommt das auch beim Wähler an? „Leider waren wir noch nie gut darin, unsere Verdienste innerhalb großer Koalitionen angemessen nach außen zu tragen“, bilanziert Peter Meusel.

Erschwerend komme hinzu, dass der Parteivorstand in Sachen Kommunikation und Marketing derzeit offenbar besonders schlecht beraten sei. An seiner Zustimmung zur Groko ändert das nichts: „Ich möchte nicht vier Jahre warten, bis eine andere Regierung in die Pötte kommt“, zeigt er sich pragmatisch. Elisabeth Krämer plädiert hingegen für die Erneuerung in der Opposition. Ein „Absprung von der Groko“ könne die Sozialdemokraten wieder näher an die Menschen heranbringen. „Ich stelle fest, dass sich viele meiner Bekannten für bestimmte Projekte oder Organisationen engagieren, aber wenig Interesse an Parteipolitik haben“, sagt die junge Politikwissenschaftlerin. Das müsse man ändern.

Am Ende des Abends zeichnet sich eine leichte Tendenz zur Groko-Befürwortung ab. Zweifel bleiben. Auch bei den Verfechtern einer Regierungsbeteiligung. Der Wunsch, Politik mitzugestalten, könnte am Ende selbst für die Skeptiker ausschlaggebend sein, einer Koalition zuzustimmen, auch das war in Vaihingen herauszuhören.