Wandel durch Annäherung: SPD-Chef Gabriel versucht den kalten Krieg mit dem fahnenflüchtigen Linken-Gründer Lafontaine zu beenden. Der einstige Chef-Genosse lobte jüngst Gabriels Linkskurs. Und präsentierte die Preisliste für ein Ende der Feindschaft.

Berlin - Es ist eine Begegnung mit hohem Symbolwert. Und so sorgte allein schon das Gerücht, SPD-Chef Sigmar Gabriel treffe sich mit dem Linken-Gründer Oskar Lafontaine, für ein stark erhöhtes Grundrauschen im rot-dunkelroten Berliner Flurfunk. Bald wurde das Treffen in „informierten Kreisen“ bestätigt. Versehen mit dem Zusatz, was denn schon dabei sei. Gabriel treffe sich mit Führungspersönlichkeiten aller demokratischen Parteien. Sogar mit Christian Lindner, dem FDP-Chef, habe er sich schon zum Meinungsaustausch verabredet. Als könne man das vergleichen.

 

Natürlich ist das kein normales Treffen, auch wenn Gabriel den Draht zu Lafontaine dem Vernehmen nach nie gänzlich abreißen ließ. Seit nunmehr 17 Jahren ist nichts normal im Verhältnis zwischen der SPD und Lafontaine: Nach der Bundestagswahl im September 1998 übernahm er im Kabinett Gerhard Schröders das Finanzressort, legte aber im März 1999 überraschend alle politischen Ämter nieder. Später trat er aus der SPD aus und schwang sich zu einem der erbittertsten Kritiker seiner früheren Partei auf. Schließlich enterte der heute 72-Jährige die WASG und gründete 2007 gemeinsam mit Gregor Gysi die Linke.

Einige Genossen leiden bis heute unter Lafontaines Abgang

Einstige Weggefährten wie Franz Müntefering sagten, sie würden sich die Hand eher abhacken, als sie Lafontaine noch einmal zum Gruß zu reichen. Lafontaine galt ihnen als „Verräter“. Andere Genossen leiden aber bis heute unter seinem Abgang, weil er ihnen fortan am linken Rand immer jene Melodien vorsang, die sie so gern von der eigenen Parteispitze hören würden. Deshalb kann man zu diesem Treffen am Freitagabend getrost das Lied anstimmen: Völker, hört die Signale!

Das Treffen sei schon seit Längerem vorbereitet, heißt es. Gabriel sei ohnehin im Saarland unterwegs, im Terminkalender war sein Auftritt bei einem industriepolitischen Kongress in der ehemaligen Völklinger Hütte vermerkt, da habe sich ein Abstecher zum Ex-Genossen Oskar Lafontaine angeboten. Damit soll dem Eindruck begegnet werden, Gabriel würde in höchster Not in Panik verfallen oder gar bei Lafontaine um Rat fragen, wie das manche berichteten.

Auch die Meldung, eine seit Längerem terminierte Klausur von SPD-Ministerpräsidenten und Präsidium am 23. Mai sei als „Krisentreffen“ geplant, sei Humbug. Es gehe da um den Programmprozess hin zur Bundestagswahl, heißt es. Da sei die Abstimmung mit den SPD-regierten Ländern nun mal wichtig. Es sei „irgendwie verrückt“, dass zurzeit jedes Routinetreffen als Symptom einer Krise gewertet werde.

Bei Gabriel ließ sich zuletzt ein Linksruck erkennen

Das mag sein, aber ein Treffen von Gabriel und Lafontaine hat mit Routine nichts zu tun, auch wenn es nicht das erste Treffen der beiden ist. Vor einem Jahr hatte sich Gabriel bereits – gewiss nicht ohne Absicht – mit Ex-Fraktionschef Gregor Gysi öffentlich erwischen lassen. Aber Gysi ist PDS-Mann, nicht Fleisch vom Fleische der SPD. Lafontaine schon.

Gabriel wird deshalb weder erwartet haben, dass ein solches Treffen unbemerkt bleibt, noch wird ihn überraschen, dass solch ein Symbol die Auguren brennend interessiert, deren Job es ist, den Kurs der SPD vorherzusehen. Zumal Gabriel in den vergangenen Wochen in seinen Äußerungen schon einen deutlichen Linksruck erkennen ließ. Weshalb Lafontaine, der im Umgang mit der SPD mitunter regelrecht hassgetrieben schien, sich schon Anfang der Woche überraschend versöhnlich zeigte.

In einem Facebook-Eintrag ließ er sich gar zu einem Lob für Gabriel hinreißen. Beim SPD-Wertekongress am Montag habe Gabriel „viel Richtiges“ gesagt. Freilich erklärte Lafontaine in fünf Forderungen sogleich, was Gabriel konkret zu tun habe, wenn er auf den rechten (besser gesagt: linken) Weg zurückkehren wolle: nämlich so gut wie alles anders.