Anja Ronzino und Kirsten Reuß decken auf Wunsch jede Tafel für einen kleinen feinen Anlass – und das auf die unkonventionelle Art.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Stoffservietten, feine Kristallgläser, Kerzenlicht, Blümchen und als Gedeck vielleicht das gute Geschirr von Oma - der Inbegriff einer festlichen Tafel. Aber wer sich für einen besonderen Anlass die Tischdecker ins Haus geholt hat, wird eines Besseren belehrt. In diesem Stadium befindet sich die Tafel quasi noch in der Unterwäsche: Jetzt fängt für Anja Ronzino und Kirsten Reuß die Gestaltung erst an. Die beiden Stuttgarterinnen bringen für ihre Kundschaft eine wahre Inszenierung des gewählten Mottos auf den Tisch – „Schüsseln haben dann natürlich keinen Platz mehr“, sagt Anja Ronzino und verweist darauf, dass die Speisen auf alle Fälle serviert werden sollten oder an einem Buffet bereitstehen müssen, wenn die Tischdecker am Werk waren.

 

Der Klimawandel neben dem Teller

Statt Prinzessböhnchen im Speckmantel machen sich auf einer Seite der Tafel zum Beispiel Eisbären auf ihren Schollen breit, am anderen Ende ist das Idyll zerstört, und es herrscht erdfarbene Dürre. So bringen die beiden Gestalterinnen den Klimawandel ins Esszimmer und damit Gesprächsstoff unter die Gäste. Natürlich gestalten sie auch fröhliche Tafeln, aber immer mit Überraschungseffekt: „Maritim ist so ein Thema, das oft ins Kitschige geht“, weiß Kirsten Reuß. Bei den Tischdeckern wird es uminterpretiert: Wasser ist das Thema, und dazu gehört das berühmte Gemälde von der großen Welle vor Kanagawa, der eine oder andere Koi aus Kunststoff ist auch mit dabei, echte Seerosen ebenso und Sukkulenten, die ein wenig Ähnlichkeit mit Korallen haben und so mit etwas Great Barrier Reef-Feeling den Abend würzen. Dazu Delfter Geschirr, denn Stilbrüche gehören zu ihren Kompositionen. „Aber es darf nicht zu viel sein. Man muss sich noch sehen und unterhalten können, sonst beginnen die Leute, die Deko zu verrücken“, bemerkt Anja Ronzino.

Tischdekoration direkt vom Pilzezüchter

Natürlich steht immer der Wunsch der Kunden im Vordergrund, betonen sie: Wer das kreative Gespann engagieren will, muss mit zwei Monaten Vorlauf rechnen. „Wir kommen dann und schauen uns das Zuhause an. Ganz wichtig ist es für uns, zu erfahren, was gegessen wird,“ sagt Kirsten Reuß. Ob Asiatisch, Schwäbisch oder Französisch spielt eine große Rolle bei der Wahl des Geschirrs für die Innendienstlerin unter den beiden, denn sie durchforstet für jedes Motto das Internet nach ausgefallenem Porzellan und nicht-alltäglichem Besteck. „Mit jedem Auftrag wird unser Fundus größer“, freut sich Anja Ronzino. Einmal haben sie Geschirr aus Australien bestellt und für ein Herbstthema - „bloß keine Kürbisse!“ – reisen sie durchaus zum Pilzzüchter und holen Edelpilze wie die gelben und rosa Limonen- und Rosenseitlinge, die wie kleine Wäldchen aus ihren Substratblöcken sprießen. Dazu Bilder von Eichhörnchen statt bunter Blätter, vielleicht ein Bonsai und natürlich Nüsse, Nüsse, Nüsse.

Solche Tischdekorationen sind gedacht für kleinere Feiern mit 20 Gästen, wie ein Geburtstag oder ein anderer besonderer privater Anlass. „Ein Tisch sollte da sein. Alles andere können wir mitbringen“, betont Anja Ronzino und verweist in ihrem Lager auf die Regale, in denen sich Geschirr, Glaskolben, allerlei Hasen, Affen, Winkekatzen und Fische aus Keramik-, Glas-, Porzellan und Kunststofftiere stapeln.

Selbst den Koch finden sie

Bei der Inspektion der häuslichen Gegebenheiten machen sie fast immer die gleiche Erfahrung, wenn sie in den Geschirrschrank schauen: „Es ist bis auf wenige Ausnahmen immer ein unauffälliges Service – so nach dem Motto‚ das kann ich die nächsten 30 Jahre gut sehen“, berichtet Kirsten Reuß. Wenn das Motto klar ist, schwärmen sie aus, und wenn sie fündig geworden sind, präsentieren sie der Kundschaft ein Probegedeck. „Wenn es gewünscht wird, finden wir auch noch den Koch“, sagt Anja Ronzino und schmunzelt.