Eine 68-jährige Frau aus Stuttgart-Degerloch berichtet sehr offen über ihren bescheidenen Alltag. Denn sie lebt in Armut. Was ihre Geschichte auslöst, überrascht und bewegt sie sehr.

Klima & Nachhaltigkeit: Judith A. Sägesser (ana)

Degerloch - Vor wenigen Tagen hat unsere Redaktion ein Brief erreicht, 200 Euro lagen darin, dazu eine handgeschriebene Notiz, wofür das Geld gedacht ist. Für eine Frau aus Degerloch, über deren Schicksal wir Mitte März berichtet haben. Die 68-Jährige lebt in Armut, hat kaum mehr als das, was sie zum Leben braucht. Das Geld sei eine Zugabe „für einen Trip an ihren geliebten Titisee“, wie die Spenderin uns geschrieben hat. Sie möchte lieber anonym bleiben.

 

Die Dame, für die das Geld gedacht ist und die wir in dem Bericht Maria Ruoff genannt haben, hatte erzählt, dass ihr großer Wunsch wäre, wieder einmal in den Urlaub zu fahren. Ihre letzten Ferien sind nicht weniger als 45 Jahre her. Danach hatte das Schicksal zugeschlagen. Ihr Mann war gestorben, sie blieb mit drei Kindern zurück. Eine Herausforderung, die bis heute nachwirkt. Ihr Budget reicht gerade so fürs Alltägliche, schon die Geburtstagsgeschenke für ihre Kinder und Enkelkinder muss sie sich diszipliniert zusammensparen – was sie auch unbedingt will. Weil sie ihren Lieben auch einmal eine Freude machen will.

Sie musste zunächst darüber nachdenken, ob sie die Angebote annimmt

Eine Freude machen sollen wohl auch die gespendeten 200 Euro. Die damit Bedachte musste allerdings zunächst nachdenken, ob sie die Spende annehmen will. „Ich war ganz baff“, erzählt sie. Zumal dieses Geld nicht das einzige Hilfsangebot gewesen ist. Nach der Berichterstattung gingen mehrere Anrufe und Briefe ein – in unserer Redaktion, aber auch bei der evangelischen Kreisdiakoniestelle in Degerloch. Das ist eine Beratungsstelle für Menschen wie Maria Ruoff. Menschen, die aufgrund ihrer finanziellen Lage nicht mehr alleine weiter wissen.

Die Resonanz sei sehr groß gewesen, berichtet die dortige Mitarbeiterin Cornelia Glietsch. Es seien finanzielle Spenden angeboten worden, manche wollen aber auch Kleider schenken, und eine Frau möchte Maria Ruoff gern auf Kaffee und Kuchen einladen.

„Die Leute meinen es ja nicht böse“

Dass es Menschen gibt, die ihr helfen möchten, musste Maria Ruoff erst einmal verdauen, wie sie sagt. „Das ist für mich eine ganz neue Erfahrung“, sagt sie. Deshalb habe sie zunächst gezögert. Dann hat sie sich aber entschieden, die guten Gesten ihrer Mitmenschen nicht abzuweisen. „Die Leute meinen es ja nicht böse.“ Die helfenden Hände wird sie deshalb nicht abschlagen. Trotzdem konnte sie am Mittwochabend, nachdem sie von der Solidaritätswelle, die ihre Geschichte ausgelöst hat, erfahren hatte, erst einmal schlecht einschlafen, sagt sie. Sie sei sehr aufgewühlt gewesen. „Das arbeitet sicher noch sehr lange in mir.“

Was genau sie mit den Geldspenden machen wird, weiß sie noch nicht, dazu sei alles noch zu frisch. Klar sei, sie wolle das Geld für etwas Besonderes verwenden. Vielleicht tatsächlich für einen kleinen Urlaub. Wenn dies wieder möglich ist. Denn aktuell ist Reisen aufgrund der Corona-Krise nicht möglich.