Ihre Konzerte fallen aus, sie können weder bei Hochzeiten spielen noch Klavierunterricht geben: Die internationalen Talente, die an der Stuttgarter Musikhochschule studieren und gemeinsam in Feuerbach wohnen, sind in Sorge.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - Zu Beginn seines Studiums an der Musikhochschule in Stuttgart ist Frazan Adil Kotwal mehrfach gebeten worden, in Seniorenheimen für Menschen auf dem Sterbebett zu singen. Dafür lernte der indische Bariton alte deutsche Lieder. „So intensiv und emotional“ seien die Aufführungen gewesen, sagt er, „dass sie meist auf beiden Seiten mit Tränen endeten.“ Der in Mumbai geborene Sänger konnte spüren, „wie viel Seele und Magie in der Musik wohnt“.

 

Musik hilft in vielen Lebenslagen. In der Corona-Krise wird sie mehr denn je gebraucht. Kotwal spielt am 3. April, 15.30 Uhr, mit einem Pianisten vor dem Robert-Bosch-Krankenhaus ein Benefizkonzert für Patienten. Er ist einer von neun internationalen Musikerinnen und Musikern, die an der Staatlichen Hochschule für Musik studieren und im denkmalgeschützten Werner-Haas-Haus in Feuerbach wohnen. Im einzigartigen Ambiente dieses Künstlerdomizils, im Geburtshaus des 1976 verstorbenen Ausnahmepianisten Werner Haas, gedeiht Völkerfreundschaft und künstlerischer Gemeinsinn. Die Bewohner kommen aus Ländern wie Litauen, Südafrika oder Griechenland.

Bisher haben sie ihr Leben vor allem mit Konzerten finanziert

Bisher haben die Talente ihr Leben in Stuttgart vor allem mit Konzerten, mit Musikunterricht oder mit Auftritten bei Hochzeiten finanziert. Doch dies ist nicht mehr möglich. Jetzt wissen sie nicht mehr, wie sie ihre Studiengebühren, Fahrkarten, Mieten, Sozialversicherungen und Lebenskosten bezahlen können.

„Diese herausragenden Künstlerinnen und Künstler haben auf den Bühnen in unserer Region mit ihren Engagements viele Menschen begeistert, sodass es schön wäre, wenn wir Gleichgesinnte finden, die sich nun mit finanzieller Förderung dafür bedanken“, sagt Heike Ellwanger, die mit ihrer Stiftung Kosten übernehmen wird. Allein kann sie nicht allen helfen. Deshalb bittet sie um Spenden. Näheres dazu erfährt man unter www.heike-ellwanger-stiftung. org. Das Spendenkonto lautet: Deutsche Stiftungstrust GmbH / Heike Ellwanger-Stiftung, Deutsche Bank Esslingen, IBAN: DE 51 6117 0076 0042 0836 00. BIC: DEUTDESS611

„Für alle, die keine Hemmungen haben, zuhause zu singen“

„Zum Glück gibt es bei uns im Haus einen Flügel, den wir benutzen dürfen“, sagt der Bewohner Tobias Hauser, „aber ich kenne viele Studierende, die auf die Übemöglichkeiten in der Hochschule angewiesen sind.“ Er hofft, dass dort der Studienbetrieb am 20. April wieder aufgenommen werden kann und die Prüfungen im Sommer stattfinden.

Die Bewohnerin Miriam Klein steigt auf Online-Unterricht um „für jene mit guter Netzverbindung und die keine Hemmungen haben, zuhause zu singen“. Zu finanziellen Sorgen, sagt der deutsch-polnische Komponist Adrian Laugsch, käme die Unfähigkeit, dem geliebten Beruf als Musiker nachzugehen, der ein Ventil für Emotionen sei. „Kunst und Kultur in Deutschland sind momentan so bedroht wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr“, klagt er. Auch nach Überwindung der Krise werde es lange dauern, bis sich der Kultursektor erholt habe.