„Die Spiegel-Affäre“ war die Bewährungsprobe der deutschen Demokratie: Jetzt bietet sie besten Stoff für einen Film, den Arte und ARD ausstrahlen. Historisch gültige Antworten darf man nicht erwarten, wohl aber einen interessanten Fernsehabend.

Stuttgart - Historische Fakten und ihre Darstellung im Fernsehen sind immer eine schwierige Sache. Wer bestimmt den Standpunkt, von dem aus erzählt wird? Welche Muster wählt man, um vergangene Begebenheiten dramaturgisch so zuzuspitzen, dass sie ein größeres Fernsehpublikum am Weiterschalten hindern? Solche Fragen dürften auch die Macher des Films „Die Spiegel-Affäre“ beschäftigt haben, bevor sie sich entschlossen, ihre Version der Geschichte als Politthriller um zwei Hauptfiguren, Rudolf Augstein und Franz-Josef Strauß, zu inszenieren.

 

Anfang der sechziger Jahre, waren die Redaktionsräume des Hamburger Nachrichtenmagazins wegen angeblichen Landesverrats von der Staatsgewalt besetzt worden. Ob hier tatsächlich die „Geburtsstunde des politischen Deutschlands“ schlug, wie im dazugehörigen Pressedossier behauptet wird? Man entschied sich, vorneweg Johannes W. Betz in seinem Drehbuch, aber auch Roland Suso Richter in der Regie, bei der Darstellung der Konflikte zur mutigen Verknappung. Das macht den Film spannend und auf nicht unkluge Weise unterhaltsam. „Der ist von Moskau gesteuert“, ruft etwa Franz Josef Strauß nach seinem ersten Besuch in Rudolf Augsteins Hamburger Villa aus, und seine Frau fragt: „Und von wem bist du gesteuert, Franzl“? „Von mir selber“, sagt der massige Mann, und schenkt sich ein Weißbier ein.

Das könnte, muss aber nicht so gewesen sein. Diese Freiheit haben fiktive Formate nun einmal, und problematisch ist daran natürlich die Deutungshoheit, die sie gegenüber trockeneren Faktensammlungen leicht gewinnen. Auch anschließend an „Die Spiegel-Affäre“ wird deshalb, wie es derzeit Mode ist, eine Dokumentation zum Thema gesendet.

Erbitterte Feindschaft mit weitreichenden Folgen

Historisch nachweislich war in der im Film behandelten Zeit zwischen 1957 und 1962 Strauß ein aufstrebender Politiker aus Bayern und Verteidigungsminister unter Konrad Adenauer, Rudolf Augstein war Herausgeber des Magazins „Der Spiegel“, ein Publizist, der den Politikbetrieb von außen mitsteuerte. Als diese beiden Männer über Fragen der militärischen Strategie gegenüber der kommunistischen Sowjetunion aneinander gerieten, ergab sich eine erbitterte Feindschaft mit weitreichenden Folgen unter anderem für den Bundestag, die Bundesanwaltschaft und das Nachrichtenmagazin selbst. Der Drehbuchautor spitzt das nun unter Mitarbeit der Produzentin und Historikerin Gabriela Sperl sowie des früheren Spiegel-Chefredakteurs Stefan Aust nun auf den Machtkampf zweier Alphatiere zu, eine Entscheidung mit Folgen für den ganzen Film.

Hier agieren Rudolf Augstein und Franz Josef Strauß vor dem Hintergrund einer globalen Angst, 1962 sahen schließlich viele Menschen rund um die Kubakrise einen dritten, atomaren Weltkrieg heraufziehen. Beide Männer wirken getrieben, der eine von dem Bestreben, nach den Schrecken des Nationalsozialismus, die er als junger Mensch erlebte, mit einem publizistischen Organ zu einer demokratischen Gesellschaft beizutragen, aber auch von großem Narzissmus. Den anderen bewegen vordergründig Heimatbewahrungsgedanken und ein bürgerliches Familienbild, unter der charismatischen Oberfläche allerdings agiert er als sich selbst begünstigender, korrupter Intrigant.

Weder Strauß noch Augstein kommen gut weg

Keiner der beiden Protagonisten –Francis Fulton-Smith als massiger Bajuware und Sebastian Rudolph als schmallippiger Norddeutscher spielen das Gegensatzpaar Strauß-Augstein sehr überzeugend – kommt dabei richtig gut weg. Gemeinsam verkörpern sie jenes „Gleichgewicht des Schreckens“, das die frühen sechziger Jahre prägte, bevor sich Verdrängtes und Übergangenes in den Protesten von 1968 entlud. Und gemeinsam tragen sie einen spannenden Film, der zur Auseinandersetzung mit diesem historisch bedeutsamen Ereignis einladen kann – schließlich geht es um die kurzzeitige Aushebelung der Pressefreiheit in Deutschland. Historisch gültige Antworten darf man dabei nicht erwarten, wohl aber einen interessanten Fernsehabend.

Denn Betz und der Regisseur Roland Suso Richter haben augenscheinlich amerikanische Serien und Filme geschaut, und daraus Rückschlüsse gezogen, wie man auch hierzulande etwas intelligenter und optisch ansprechender erzählen könnte. Ihre „Spiegel-Affäre“ ist bis in die Nebenrollen hervorragend besetzt, optisch bedient man sich bei den frühen Folgen von „Mad Men“: Schmale Anzüge, Etuikleider, viel Zigarettenrauch und Alkohol sind ständig im Gebrauch und im Bild. Ziemlich wahrscheinlich ging es nicht ganz so cool zu in der Spiegel-Zentrale am Hamburger Speersort, und trotzdem scheint die Zeichnung einer sich selbst unglaublich wichtig nehmenden, sich gegenseitig stützenden und hochschaukelnden Männergesellschaft, die Frauen nur als Telefonistin, Kaffeekocherin oder Bettgespielin zuließ, durchaus realistisch. Auch der vergangenes Jahr im Kino gelaufene „Inside Wikileaks“ über den umstrittenen Big-Data-Aktivisten Julian Assange spielt ein bisschen im Hintergrund der „Spiegel-Affäre“ mit. Hier wie da geht es darum, ob die Veröffentlichung von Staatsgeheimnissen in bestimmten Situationen aus journalistischem Ethos erfolgt, oder als Landesverrat gewertet wird. Und das bleibt eine zeitlose Frage, wie wir längst wissen.