Es ist turbulent, hat einfache Regeln und eignet sich für die ganze Familie: das Brett- und Würfelspiel „Camel Up“ ist das Spiel des Jahres 2014. Auch die anderen Spiele, die es in die Endrunde geschafft haben, sind Gewinner.

Berlin - Die Kür zum Spiel des Jahres ist die weltweit wichtigste Auszeichnung für Brettspiele, der Oscar der Branche. 2014 geht dieser Titel an das Brett- und Würfelspiel „Camel Up“, wie die Fachjury aus neun Kritikern am Montag bekannt gegeben hat. Zum vierten Mal wurde auch das Kennerspiel des Jahres gewählt: Es heißt „Istanbul“. Dieser Preis richtet sich an ein geübteres und anspruchsvolleres Publikum. In beiden Sparten waren je drei Spiele für die Wahl nominiert, und da schon die Nominierung eine Auszeichnung ist, stellen wir alle sechs Kandidaten vor:

 

Spiele für alle

Camel Up

Spiele für alle: Camel Up

Die knallbunten Kamelfiguren aus Holz lassen ein Kinderspiel erwarten, tatsächlich hat es „Camel Up“ aber faustdick hinter den Ohren. Zwei bis acht Zocker wetten auf den Ausgang eines Kamelrennens. Mit echtem Rennsport hat die verrückte Persiflage von Steffen Bogen allerdings nur wenig zu tun. Gesteuert von farbigen Würfeln lassen sich die Kamele von ihren Artgenossen huckepack tragen. Nachträglich auf dem Parcours platzierte Oasen geben favorisierten Renntieren einen Schub, während eine plötzliche Fata Morgana zu Umwegen zwingt. Unvorhersehbarkeiten lösen Turbulenzen aus: Da liegt der grüne Renner scheinbar uneinholbar in Front, doch im letzten Moment erklimmt noch Blau dessen Rücken und wird unter großem Hallo als Sieger über die Ziellinie geschleppt. Weniger Strategie als pure Spielfreude und Lust an Überraschungen stehen hier im Vordergrund. „Camel Up“ ist ein ideales Spiel für jedermann. (Eggertspiele, ab 8 Jahren, 25 Euro).

Concept

Concept

Ein hohes, spitzes Bauwerk aus Stahl in einem rot-weiß-blauen Land? Das kann ja nur der Eiffelturm sein! Eine Person aus der Filmbranche, die etwas mit einem untergehenden Schiff zu tun hat? Leonardo DiCaprio vielleicht . . .? Vier bis zwölf Spieler knobeln beim hochoriginellen und sehr kommunikativen „Concept“ von Alain Rivollet und Gaëtan Beaujannot – je mehr, desto besser. Ein Spielplan mit mehr als 100 Piktogrammen steht im Mittelpunkt. Reihum wechselnde Partner markieren mit farbigen Steinen, welche Symbole den gesuchten Begriff ihrer Meinung nach am besten umschreiben. Wer die Informationshappen als erster richtig verknüpft, gewinnt Punkte. „Concept“ erfordert etwas Einübung, dann reißt es fantasievolle Runden zu Begeisterungsstürmen hin. Drei Schwierigkeitsstufen garantieren langfristigen Spielreiz. In der Profiversion sollen sogar Redewendungen wie „einen Bärenhunger haben“ erraten werden. (Repos Productions, ab 10 Jahren, 30 Euro).

Splendor

Splendor

Ein junger Verlag aus Frankreich macht gleich mit seinem ersten Spiel Furore. Die Kombination aus galanten Regeln, atmos-phärischem Spielmaterial und taktischem Tiefgang verleiht dem Sammelspiel von Marc André eine Sogwirkung. Wer „Splendor“ kennenlernt, will das Spiel anschließend gleich noch einmal spielen – und dann immer wieder. Zwei bis vier Juwelenhändler bauen eine Produktionskette vom Stollen über den Edelsteinschleifer bis hin zum Schmuckgeschäft auf. Wer zuerst Karten im Wert von 15 Punkten besitzt, gewinnt. Gezahlt wird mit farbigen Münzen. Das Unternehmen entwickelt sich zunehmend rasanter, da jede Erwerbung einen Rabatt für zukünftige Einkäufe zählt. Je nach Mentalität spielt der eine auf Masse und viele Rabatte, der andere auf Klasse und wenige gezielte Kartenkäufe. Beide Wege können zum Erfolg führen. (Space Cowboys, ab 10 Jahren, 30 Euro).

Spiele für Kenner

Istanbul

Spiele für Kenner

Istanbul

Das geschäftige Treiben eines türkischen Basars, verdichtet auf nur 16 Spielfeldern: diese lassen sich in jeder Partie neu anordnen, und so sind auch die Wege und damit die Strategien jedes Mal andere. Per Tauschhandel versuchen zwei bis fünf Spieler möglichst schnell an fünf Juwelen zu gelangen. Im Tuchlager gibt es Stoffe, im Obstlager Früchte, am Marktstand lässt sich beides verkaufen. Der Gewinn wird neu investiert oder beim Edelsteinhändler für die begehrten Klunker ausgegeben. Originell ist die Zugweise: Jeder Spieler startet mit einem Kaufmann und vier Gehilfen. An den besuchten Orten bleibt ein Gehilfe zurück und wickelt die Geschäfte ab. Holt der Chef sein Personal nicht rechtzeitig wieder ab, muss er aussetzen, um die Belegschaft später am zentralen Brunnen zusammenzutrommeln. In dem von Rüdiger Dorn ausgeklügelten Szenario entscheiden Tempo und Effektivität. Kurze Spielzüge geben „Istanbul“ einen rasanten Rhythmus. (Pegasus Spiele, ab 10 Jahren, 35 Euro).

Concordia

Concordia

Der Mittelmeerraum zur Zeit der Antike bildet in Walther Gerdts’ vielschichtigem Wirtschaftsspiel den Schauplatz. Zwei bis fünf Kaufleute errichten Niederlassungen, um dort Wein, Tuch oder Werkzeug zu produzieren und gewinnbringend einzusetzen. Die Bemühungen gelten nicht dem schnöden Mammon. Es sind die Götter, die gnädig gestimmt werden müssen. Jupiter beispielsweise vergibt Punkte für die Anzahl der Produktionsstätten, Saturnus belohnt die Ausbreitung in möglichst viele Länder. Wer am Zug ist, wählt eine seiner Handkarten und führt sie aus. Anfangs besitzen alle das gleiche Blatt. Im Laufe der Partie kaufen die Spieler Karten hinzu. Jede gewährt erstens eine Aktion, ihre Zugehörigkeit zu einer Gottheit bestimmt zweitens, wofür der Kaufmann Punkte erhält. Tüftler haben im kunstvoll verwoben „Concordia“ die Nase vorn. (PD-Verlag, ab 12 Jahren, 43 Euro).

Rokoko

Rokoko

Goldene Zeiten für das Schneiderhandwerk: um den übrigen Hofstaat ordentlich zu beeindrucken, ist im Rokoko elegante Garderobe gefragt. Zwei bis fünf Unternehmer treten an, um die Spitze der Haute Couture zu erklimmen. Dabei zählt vor allem geschicktes Personalmanagement. Seinen Azubi betraut man mit Botengängen, der Geselle näht Kleidung, der Meister stellt neue Leute ein oder greift bei besonderen Aufträgen auch selber mal zu Nadel und Faden. Fragt sich bloß, ob die passenden Personenkarten auch parat sind. Runde für Runde kommen Schneider mit besseren Fähigkeiten ins Spiel. Wer niemanden anwirbt, wird bald von der Entwicklung abgehängt. Die logischen Abläufe und die atmosphärische Grafik erzählen in „Rokoko“ eine stimmige Geschichte. Das opulente Gemeinschaftswerk von Matthias Cramer, Louis Malz und Stefan Malz fesselt zwei Stunden lang. (Eggertspiele, ab 12 Jahren, 35 Euro)

Der Autor

Udo Bartsch
ist Fachjournalist und gehört der unabhängigen neunköpfigen Kritikerjury an, die das Spiel des Jahres und das Kennerspiel des Jahres wählt.