Rund 60 Kandidaten bewerben sich für einen Platz im Kader für die Fußball-WM 2018. Joachim Löw hat die Qual der Wahl – dabei könnte die Lösung so einfach sein. Der Bundestrainer müsste nur an den VfB Stuttgart denken.

Sport: Dirk Preiß (dip)

Stuttgart - Julian Draxler war der Erste, der am Montag den Flieger verließ, mit dem die deutschen Fußball-Nationalspieler aus Russland nach Frankfurt am Main zurückgekehrt sind. In seinen Händen hielt der Mittelfeldspieler von Paris St. Germain die Trophäe, die er am Sonntagabend von Fifa-Präsident Gianni Infantino überreicht bekommen hatte: den Confed-Cup. Ein Pokal mit Symbolcharakter.

 

Der deutsche Fußball nämlich wähnt sich dieser Tage nicht zu Unrecht an der Spitze. Europameister der U-21-Junioren seit Freitag, Confed-Cup-Sieger seit Sonntag, und: die vermeintlich Besten noch im Urlaub statt im Nationaltrikot. Was die Hoffnung nährt, dass nicht nur die Gegenwart eine goldene ist, sondern auch die Zukunft. Der Beweis soll schon im nächsten Jahr geführt werden. „Wir wollen wieder Weltmeister werden“, sagte Reinhard Grindel, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), noch am Sonntagabend. Und nach den tollen Tagen von Polen und Russland könnte man meinen: nichts leichter als das.

Löw warnt vor Überheblichkeit

Das Reservoir an Topspielern, die sich bereits international bewährt haben, ist groß. Das an herausragenden Talenten noch viel größer. Nimmt man die Weltmeister 2014, die besten U-21-Europameister, die Confed-Cup-Gewinner, die gerade verletzten Stars sowie einige andere Spieler mit guten Perspektiven, kommt man gut und gerne auf 60 Profis, die man sich in einem deutschen WM-Kader für 2018 vorstellen könnte. Für Joachim Löw ist das wunderschön. Doch der Bundestrainer hat auch ein Problem: In einem solchen WM-Kader ist nur Platz für 23 Spieler. Also wird er Meßlatte höher legen. Bereits direkt nach dem Endspiel gegen Chile in St. Petersburg (1:0) hat er damit begonnen, seine Jungs auf die nächsten Monate einzustimmen. „Das“, sagte Löw, „müssen wir immer erst wieder bestätigen. Für diese Spieler fängt die Arbeit jetzt erst an.“

Klar ist aber schon jetzt, dass sich die Ausgangslage gleich für mindestens zwei Dutzend Spieler innerhalb von zwei, drei Wochen verbessert hat. „Alle Spieler, die jetzt dabei waren, haben eine bessere Position als vor dem Confed-Cup“, sagte Löw. Auch die U-21-Spieler haben Pluspunkte gesammelt. „Die Basis ist sicherlich gut“, sagte der 57-Jährige, der endgültig zurück ist in seiner Paraderolle als Fußball-Entwickler. Er warnte aber auch: „An die Spitze zu kommen und die ganze Zeit auf Weltklasseniveau zu spielen – das ist eine andere Herausforderung.“ Soll heißen: Der Weg zum absoluten Topmann endet nicht im Confed-Cup-Finale. Und es bedeutet auch: Spieler, wie Toni Kroos, Manuel Neuer, Sami Khedira oder Jérôme Boateng sind der neuen Generation schon noch ein Stück voraus.

Der VfB will wieder Talente-Lieferant werden

Ein Gerüst steht damit für die WM 2018, darüber hinaus ist Baumeister Löw gefordert, ein 60-Teile-Puzzle zu einem perfekten Bild zusammenzufügen. „Bei einer WM“, weiß er nicht erst seit 2014, „muss alles passen.“ Auch seine Personalauswahl. Für die er – mit Blick auf die eigene Vergangenheit – ja auch ganz einfache (und nicht ganz ernst gemeinte) Kriterien anlegen könnte. Eine Startelf allein mit Spielern, die Erfahrungen beim VfB Stuttgart gesammelt haben, wäre möglich. Was die Granden auf dem Wasen zum einen stolz macht, zum anderen aber auch schier zur Weißglut treibt – zeigt dies doch, welch fußballerisches Potenzial einst im Club steckte.

Aktuell aber ist Timo Baumgartl (21) der einzige deutsche VfB-Spieler, der sich im Blickfeld der zwei höchsten Auswahlmannschaften befindet. Die Stuttgarter A-Junioren und die Regionalligamannschaft kämpften zuletzt sogar lange gegen den Abstieg. „Es war diesmal eng“, sagte VfB-Juniorenchef Marc Kienle, „in eine solche Situation dürfen wir nicht mehr geraten.“ Vielmehr will der Club an alte Traditionen anknüpfen und wieder künftige Nationalspieler ausbilden – und diese möglichst lange im Verein halten.

Wäre das in den vergangenen Jahren gelungen, hätte der VfB aktuell womöglich fünf Confed-Cup-Sieger und vier U-21-Europameister in seinen Reihen. Zum Beispiel auch den heutigen Leipziger Timo Werner, über den Kienle sagte: „Ihn haben wir schon vor seinem Wechsel emotional verloren – und das darf uns nicht mehr passieren.“ Damit der VfB auch künftig noch seinen Anteil hat, wenn Joachim Löw (wie am Sonntag) sagt: „Deutschland ist immer noch die beste Mannschaft der Welt.“