Seit den zwanziger Jahren gibt es das Mini-Fußballspiel aus dem Schwarzwald. Vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 versucht der Hersteller neue Wege zu gehen – etwa durch personalisierte Spielfiguren.

Villingen-Schwenningen - Der neue Hoffnungsträger der Firma Edwin Mieg in Villingen-Schwenningen ist siebeneinhalb Zentimeter groß, trägt ein rotes Hemd, rote Hosen und rote Stutzen. Aber nicht das FC Bayern-Trikot zeichnet den kleinen Tippkicker aus, einzigartig macht ihn seine schwarze Afro-Frisur, die dem Original verblüffend nahe kommt. „Dante ist unsere erste personifizierte Spielfigur“, sagt Firmenchef Mathias Mieg. Der brasilianischen Publikumsliebling aus München soll den Verkauf von Tipp-Kick-Spielen bis zum Anstoß der Fußball-Weltmeisterschaft in Dantes Heimatland Brasilien ordentlich ankurbeln.

 

Ein Besuch beim Hersteller der beliebten Tischfußballvariante im Schwarzwald gleicht einer Zeitreise in die Fußballhistorie. In Glasvitrinen erinnern Zinkfiguren in verschiedenen Trikots an geschlagene Fußballschlachten. Jede qualifizierte Mannschaft wird im Vorfeld einer Welt- oder Europameisterschaft mit ihrem aktuellen Dress produziert, egal ob Portugal, Honduras oder Nordkorea. Dazu kommen noch die Mannschaften der ersten und zweiten Bundesliga sowie unterklassige Traditionsvereine und Spezialanfertigungen, damit sich alle Freizeitkicker mit ihrem Lieblingsteam ausstatten können. Wie viele Millionen kleine Fußballer-Klone das 1924 von Miegs Großvater Edwin gegründete Unternehmen in der neunzigjährigen Firmengeschichte produziert hat, lässt sich nicht einmal schätzen.

Mathias Mieg und sein Cousin Jochen leiten das Unternehmen bereits in der dritten Generation. Die Väter der beiden haben die Firma einst von ihrem jeweiligen Vater übernommen. Neben dem Schreibtisch im Chefbüro ist ein Fotostudio im Miniformat aufgebaut. Hier macht Mieg Bilder von den neuesten Figuren. Vor seiner Kameralinse liegen gerade Tippkicker der Teams aus Ecuador und Russland. „Sobald ein neues Trikot vorgestellt wird, bemalen wir die Spielfiguren damit“, sagt er. Gute Kontakte zu den Ausstattern der Nationalmannschaften sind nützlich, um oftmals schon vor der offiziellen Vorstellung ein Muster zu bekommen.

Uniformität ist von gestern

Uniformität war bis ins neunzigste Jahr der Firmengeschichte hinein das oberste Kriterium. Abgesehen von der Trikotfarbe sah ein Spieler wie der andere aus. Erst der Mini-Dante brach im vergangenen Herbst mit dieser Tradition. „Wir müssen neue Wege gehen“, erklärt Mieg. Die passenden brasilianischen Samba-Klänge gibt es in der gleichnamigen Spieledition gleich dazu. Dafür wird als weitere Neuerung ein Soundchip in die elektronische Anzeigetafel gesteckt, auf der die Spielzeit herunterläuft. Eine Tipp-Kick-Partie dauert zehn Minuten. Der Werbedeal kam zustande, nachdem der Berater des brasilianischen Verteidigers auf den Spielwarenproduzenten zugekommen ist. Verkaufsfördernde Promotion-Aktionen vom großen mit dem kleinen Dante sind schon geplant, müssen aber vorerst noch geheim bleiben.

Die Firmenchefs sind vor allem durch die mageren Zahlen des Vorjahres zur Überzeugung gelangt, dass sie in den Bereichen Vermarktung und Lizenzerwerb mehr Risiko eingehen müssen: „So drastisch wie im letzten Jahr war der Einbruch noch nie“, sagt Mieg. Man habe lange vergeblich auf neue Aufträge gewartet. Erst in der Adventszeit sei es richtig losgegangen. In mehreren Monaten davor war der Enkel des Unternehmensgründers gezwungen, Kurzarbeit für die Beschäftigten anzumelden. Er sei nicht die erste Flaute gewesen, erinnert er sich, aber die bislang längste. Betroffen waren alle neun Festangestellten in der Zentrale sowie die 30 Minijobber in der Umgebung, die in Heimarbeit für die Firma werkeln.

Die Tipp-Kick-Macher sind starke Schwankungen gewohnt. „Die ungeraden Jahre, in denen keine Welt- oder Europameisterschaft ausgetragen wir, sind für uns immer Übergangsjahre“, erklärt Mieg. Dann gehen zwischen 30 000 und 40 000 Spiele über die Ladentheke, vor Turnieren sind es bis zu 60 000; im Ausnahmejahr der deutschen Heim-Weltmeisterschaft 2006 waren es sogar 200 000. Doch die Privatkunden machen dann nur etwa die Hälfte des Umsatzes aus, der früheren Angaben zwischen einer und drei Millionen Euro schwankt. Hinzu kommen rund um die Großereignisse noch eine Reihe von Sonderaufträgen von Unternehmen, die Tippkicker als Werbegeschenke an ihre Kunden verteilen. Von den Bestellungen in den kommenden Monaten bis zur Weltmeisterschaft in Südamerika hängt viel für den kleinen Traditionsbetrieb ab.

Das Internet ist ein immer wichtigeres Verkaufsstandbein

Die Tischfußballer mit dem Knopf auf dem Kopf und dem beweglichen rechten Schussbein entstehen auf drei verschiedenen Kontinenten. Die Produktion beginnt in einer Gießerei in Schwenningen, wo die Rohlinge aus Zink herstellt werden. In der Werkstatt der Firmenzentrale, einem unscheinbaren Flachbau am Rande des Schwenninger Gewerbegebiets, werden die flexiblen Spielbeine an die Männchen montiert. Kleinere Stückzahlen lackieren die hiesigen Mitarbeiter vor Ort, größere erhalten ihren Anstrich in einer tunesischen Fabrik. Großaufträge von mehreren Zehntausend Stück werden auch schon Mal komplett in China gefertigt. Verpackt und versendet werden alle Spiele dann wieder im Schwarzwald, von wo aus auch der Onlineshop betrieben wird.

Auf die Verkäufe im Internet ist das Unternehmen angewiesen, die Einbußen im stationären Handel lassen sich damit aber nicht ausgleichen. Viele Spielwarengeschäfte sind gezwungen ihre Verkaufsflächen zu verkleinern, auf dem Land verschwinden die Läden zum Teil ganz von der Bildfläche. Auch auf der Spielwarenmesse in Nürnberg, wo die Mieg OHG ein Aussteller der ersten Stunde ist und diesmal für die 65. Teilnahme ausgezeichnet wird, kommen immer weniger Besucher zum Tipp-Kick-Stand. „Früher haben die Fachhändler ihre ganze Belegschaft zur Messe geschickt, heute kommt oft nur noch der Chef“, erklärt Mathias Mieg. Die Händler würden immer vorsichtiger disponieren.

Wenigstens auf die Tipp-Kick-Vereine als treue Kunden kann sich Mieg verlassen. Mehr als 500 Aktive reisen an den Wochenenden quer durchs Land, um in der Bundesliga und drei weiteren Spielklassen auf Torejagd zu gehen. Cracks geben bis zu 120 Euro für eine Figur aus, ein Spieler für die Profis ist damit rund zehnmal so teuer wie eine Dante-Figur ohne Zubehör. Der Brasilianer wäre aber ohnehin nicht spielberechtigt: Der Deutsche Tipp-Kick-Verband erlaubt seinen Einsatz im Ligabetrieb nicht, weil ihm seine Haarpracht in der Verteidigung einen Vorteil gegenüber den standardisierten Gegnern verschafft.