Türkische Geistliche in Deutschland sollen für die Regierung in Ankara Landsleute bespitzelt haben. Für Haftbefehle haben die Ermittler nicht genug in der Hand. Sie hoffen auf neue Beweismittel.

Düsseldorf - Wegen der Spitzel-Vorwürfe gegen den türkisch-islamischen Moscheeverband Ditib haben Ermittler die Wohnungen von vier Imamen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz durchsucht. Dabei seien Datenträger, Kommunikationsmittel und Unterlagen sichergestellt worden, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft am Mittwoch in Karlsruhe. Festnahmen gab es nicht.

 

Die Geistlichen stehen im Verdacht, Informationen über Anhänger der Gülen-Bewegung gesammelt und an das türkische Generalkonsulat in Köln berichtet zu haben. Die türkische Führung macht den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen für den gescheiterten Putsch verantwortlich.

Die Sprecherin sagte, die Beweismittel würden nun ausgewertet und darauf geprüft, ob sich der Verdacht weiter erhärten lasse. Die bisherigen Erkenntnisse hätten für Haftbefehle des Ermittlungsrichters am Bundesgerichtshof (BGH) nicht ausgereicht.

Wer die Beschuldigten sind und wo genau die Durchsuchungen am Mittwochmorgen stattfanden, sagte sie nicht. In Rheinland-Pfalz gab es nach Informationen aus Ermittlerkreisen einen Einsatz in der Ortschaft Fürthen im Westerwald, wo es eine Ditib-Moschee gibt.

Der Einsatz geht zurück auf eine Anzeige, die der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, im Dezember wegen Spionageverdachts gestellt hatte. Nach den Worten der Sprecherin wurden auch Auskünfte bei Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst (BND) eingeholt.

In einem Brief der türkischen Religionsbehörde Diyanet waren Mitarbeiter der Konsulate aufgefordert worden, über ihre Kanäle Informationen zu Aktivitäten der Gülen-Bewegung in Deutschland zu liefern. Ditib-Generalsekretär Bekir Alboga hatte später erklärt, „einige wenige Ditib-Imame“ seien fälschlicherweise diesen Anweisungen gefolgt. Er sprach von einer Panne, die der Verband bedauere. Unter dem Dach der 1984 gegründeten Ditib sind rund 900 türkisch-islamische Vereine in Deutschland organisiert.

Scharfe Kritik an Maas kam von Volker Beck

Nach bisherigen Erkenntnissen des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes lieferten aus dem Bundesland mindestens 13 Imame Informationen nach Ankara. An Diyanet seien Namen von 33 bespitzelten Personen und elf Institutionen aus dem Bildungsbereich gemeldet worden, sagte Verfassungsschutzpräsident Burkhard Freier vor einer Woche im Innenausschuss des Landtags. Demnach sammelten auch Imame aus drei rheinland-pfälzischen Moscheegemeinden Informationen.

Über die Durchsuchungen am Mittwoch hatte zuerst „Spiegel Online“ berichtet. Demzufolge war die Polizeiaktion gegen Ditib eigentlich schon für Ende Januar geplant. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft sagte, damals seien auch vergeblich die Haftbefehle beantragt worden.

Es sei nicht akzeptabel, „dass Angehörige der Ditib wie ein Nachrichtendienst agieren und Informationen über mutmaßliche Erdogan-Gegner sammeln“, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, dem rbb-Inforadio. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte Ditib auf, sich von Ankara zu lösen. „Der Einfluss des türkischen Staates auf die Ditib ist zu groß“, erklärte er. „Wir erwarten, dass die Ditib die Vorwürfe unverzüglich und lückenlos aufklärt.“

Scharfe Kritik am Minister kam von Volker Beck. Maas müsse erklären, warum er nichts unternommen habe, damit sich Verdächtige nicht durch Flucht in die Türkei der Strafverfolgung entzögen, sagte er.

In Ankara kritisierte der deutsch-türkische AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu die Razzien als „beispiellose Einschüchterungskampagne gegen die mitgliederstärkste islamische Religionsgemeinschaft in Deutschland“. Der Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses im türkischen Parlament sprach von „juristischen Repressalien“.