Beim Spitzentreffen von SPD und Union zeigte sich eines: Kleine Runden und genug Zeit für eine Entscheidung vor Sondierungsgesprächen zu einer möglichen neuen großen Koalition sind unbedingt nötig, kommentiert Berlin-Korrespondent Norbert Wallet.

Berlin - Und die SPD bewegt sich doch. Ob getrieben von reiner Vernunft, den werbenden Worten des Bundespräsidenten oder durch staatspolitisches Verantwortungsgefühl, mag dahingestellt bleiben. Jedenfalls hat es nun ein erstes Gespräch der SPD-Spitze mit der Union über die Möglichkeiten einer neuen großen Koalition gegeben. Man kann über die Schwerfälligkeit der SPD in dieser Frage verärgert sein oder sich darüber lustig machen. Man kann sich aber auch einfach darüber freuen, dass nun miteinander geredet wird, und zwar nach allem, was man hört, in guter Atmosphäre. Da Neuwahlen die politische Landschaft womöglich unverändert ließen, ist eine Kooperation der beiden, nun ja, Volksparteien eine sinnvolle Sache.

 

Dass die SPD Zeit braucht, um sich mit dieser Situation abzufinden, ist so schwer nicht zu verstehen. Die Partei hat im September ihr schlechtestes Bundestagswahlergebnis der Nachkriegszeit eingefahren. Nach vier Jahren großer Koalition. Da kann die Aussicht auf eine Wiederholung durchaus als quälend, ja selbstmörderisch erscheinen. Es spricht zwar sehr viel dafür, dass das Wahldesaster zwar nach vier Jahren an der Seite Angela Merkels erzielt wurde, aber nicht wegen der Koalition. Schließlich hat die Partei einen katastrophalen Wahlkampf mit einem unglücklich agierenden Spitzenkandidaten abgeliefert. Aber dennoch darf man einem Patienten mit posttraumatischen Störungen eine gewisse Zeit zubilligen, um zurück in die Realität zu finden.

Kleine Runden und Vertraulichkeit

Deshalb ist es gut, dass beide Seiten offenbar fest gewillt sind, die Gespräche nicht zu einer Marktplatz-Veranstaltung werden zu lassen. Kleine Runden, Vertraulichkeit und genug Zeit – das wären ganz gute Voraussetzungen, um ein stabiles Bündnis hinzubekommen. Warum allerdings die SPD erst am Freitag - und damit einen Tag später als die Union - offiziell über die Aufnahme von Sondierungen entscheiden will, ist wieder mal rätselhaft. Die Verzögerung gibt dem potenziellen Partner jedenfalls eine willkommene Gelegenheit, die Richtung der öffentlichen Debatten zu bestimmen. Die Union jedenfalls weiß genauer, was sie will. Eine weitere Ungeschicklichkeit der SPD in einer immer länger werdenden Kette. Aber wie dem auch sei: Am Ende entscheidet dann die SPD-Basis. Die war schon einmal, vor vier Jahren nämlich, viel besonnener als es die Parteispitze befürchtet hatte.