Profisportler wie die Turnerin Elisabeth Seitz dürfen zwar weiter trainieren, leiden aber unter den Absagen der Wettkämpfe. In den Anlagen des Olympiastützpunkts Stuttgart gibt es derweil minutiös geplante Trainingsabläufe.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart - So läuft das nun also wieder für manchen Spitzensportler in Corona-Zeiten. Wenn die Vorbereitung auf den Wettkampf im Gange ist, dann wird er offiziell abgesagt – so geschehen am späten Dienstagvormittag. Als Deutschlands Vorzeigeturnerin Elisabeth Seitz mit ihren Kolleginnen im Cannstatter Kunstturnforum trainierte, drückte der nationale Verband auf den Knopf und teilte das mit, womit Seitz schon gerechnet hatte: Der Deutsche Turner-Bund (DTB) sagte das für diesen Donnerstag bis Sonntag in Düsseldorf geplante Multisport-Event mit den deutschen Meisterschaften in den olympischen Sportarten Turnen, Rhythmische Sportgymnastik und Trampolin ab – in Absprache mit den zuständigen Behörden in Nordrhein-Westfalen. Auf „Basis der aktuellen Verordnungslage“, so hieß es in der Mitteilung, sei die Ausrichtung nicht möglich.

 

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Für Elisabeth Seitz vom deutschen Serienmeister MTV Stuttgart ist das ein Rückschlag mit Blick auf die Olympia-Vorbereitung für die Spiele in Tokio 2021, klar. Aber sie zeigt auch Verständnis. „Ich finde es schade, aber ich kann es total nachvollziehen“, sagt sie: „Auch wir Sportler müssen unseren Teil zur Bekämpfung der Pandemie beitragen.“

Kraft aus den Emotionen

Dennoch: bei allem Verständnis lebt Seitz in einem inneren Zwiespalt – den sie so beschreibt: „Wir sind privilegiert und ich bin dankbar dafür, dass ich als Profisportler meinem Job nachgehen darf und der Trainingsalltag weitergeht.“ Allerdings, so Seitz weiter, sei es manchmal schwierig, „da man ja normalerweise immer auf einen Wettkampf hintrainiert und sich immer wieder auf einen bestimmten Zeitpunkt hin fit macht“. Und wenn dieses Ziel mit der nächsten Absage wieder wegbricht, „dann ist das alles schon eine Herausforderung“.

Dazu muss man wissen, dass Seitz wie wohl kaum eine zweite Turnerin Kraft aus den Emotionen zieht, Kraft aus dem Zusammenspiel mit dem Publikum beim Wettkampf. Und im Trainingsalltag auch Kraft aus der Vorfreude auf einen emotionalen Auftritt. Sie ist die selbst ernannte „Rampensau“. Nur: wenn die Bühne nicht mehr da ist – was ist dann überhaupt noch da? Seitz sagt, dass sie zuletzt versucht habe, sich neue Motivationsfelder zu erschaffen: „Ich habe mir klargemacht, dass ich es extrem schlecht fände, wenn ich nicht fit wäre, auch mit Blick auf große Fernziele wie die Olympischen Spiele im nächsten Sommer. Wenn ich da zu viel aufholen und alles wieder aufbauen müsste – ich würde es nur bereuen.“

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Und so hat Seitz ihre Freude daran, in jenen November-Zeiten, in denen andere Menschen ihren Job nicht mehr ausüben oder Freizeitsportler keinen Sport mehr machen dürfen, im Trainingsalltag im Kunstturnforum wie gewohnt Abstand zu halten, sich die Hände zu desinfizieren und sich jeden Tag vor den Einheiten neu zu registrieren. Denn Profisportler dürfen auch im November weiter trainieren – was Seitz, die mit ihren Kolleginnen und Trainern maximal sechs Stunden täglich in der Halle sein darf, mit Blick auf andere Teile der Gesellschaft extrem zu schätzen weiß. „Man sollte sich vielleicht das gerade noch so ferne Ziel Olympia nicht immer vor Augen führen, sondern sich seine Privilegien ins Bewusstsein rufen“, sagt sie: „Ich darf den Sport machen, den ich liebe und für den ich von Sponsoren ohne Wettkämpfe unterstützt werde: Turnen.“

Genaue Planung am OSP

Und allgemein, so sagt das Seitz, könne es im Alltag auch mal schön sein, sich eben nicht immer auf einen fixen Termin hin vorbereiten zu müssen, sondern seinen Sport auch mal von innen heraus genießen zu können: „Es ist schon viel wert, wenn man fit ist, das versuche ich mir klarzumachen. Aber das ist ein Prozess.“

Den so oder so ähnlich auch andere Profis unweit des Cannstatter Kunstturnforums durchlaufen – was Tim Lamsfuß, Leiter des ein paar Steinwürfe entfernten Stuttgarter Olympiastützpunkts (OSP), täglich miterlebt. Denn wie die Turner dürfen die ebenfalls im Neckarpark ansässigen Profi-Leichtathleten in der Molly-Schauffele-Halle, die Radfahrer oder auch die Beachvolleyballer im November weiter trainieren – nach strengen Vorgaben. Wer geht wann wohin und wann wieder raus aus der Halle oder aus der Anlage, das sind die Fragen eines jeden Tages.

Alles ist genau geplant, die Sportlerinnen und Sportler werden beim Betreten der Anlagen registriert. Und es gibt, wie es Tim Lamsfuß in bestem Fußballtrainer-Deutsch sagt, „klar vorgegebene Laufwege“. Wer also geht wann nach dem Training in den Kraftraum, wer darf zur Physiotherapie und wer zur Leistungsdiagnostik – die Taktik ist abgestimmt. Oder anders: Profisport unter Corona-Bedingungen ist im Trainingsalltag immer auch ein Denksport. Für alle Beteiligten.