Die Olympiasiegerin Heike Drechsler trainiert im Schlossgarten mit ausgewählten Frauen aus Stuttgart für den zweiten „Women’s run“ Anfang Juni. Ein wichtiger Tipp, den sie gern weitergibt, lautet AZ.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Für Passanten, vor allem für männliche, war die Gruppe an der Heilbronner Straße vor dem Yoga House doch ein Hingucker. In engen Leggings oder anderen sportlichen Outfits standen die 15 Teilnehmerinnen im Kreis und machten Dehnübungen. „Da laufen gleich drei Männer gegen die Laterne“, warf eine der Frauen zwischen ihren Übungen ein.

 

Um die Verkehrsteilnehmer nicht weiter abzulenken, ging es deshalb nach einer kurzen Aufwärmphase joggend durch den Hauptbahnhof in Richtung Schlossplatz – angeleitet von Heike Drechsler. Die einstige Leichtathletin und zweifache Olympiasiegerin im Weitsprung ist inzwischen im Gesundheitsport tätig und kooperiert in diesem Jahr unter anderem mit den Veranstaltern des bundesweit stattfindenden Women’s Run der Zeitschrift „Runner’s World“. Rund 100 Frauen hatten sich auf die Trainingseinheit mit Heike Drechsler in Stuttgart beworben, 15 davon durften schließlich mitlaufen.

Wie bereite ich mich auf einen größeren Lauf vor? Was für Übungen kann ich in mein Training einbauen? Auf der Wiese am Schlossplatz führte Drechsler ihre Frauengruppe in das Lauf-Abc ein, um sie perfekt auf den Stuttgart Women’s Run am 3. Juni im Gazi-Stadion vorzubereiten. Das Lauf-Abc ist zwar eine alte Methode, aber im Leichtathletiktraining immer noch beliebt: „Das sind oft kleine Spiele, die ihr sicher aus der Schule früher noch kennt“, sagte Heike Drechsler. Dazu gruppierten sich die Frauen auf der Wiese hinter dem Biergarten um die Leichtathletin und übten in einem Lauf, die Füße bewusst abzurollen. „Achtet auf eure Füße, wie die arbeiten“, riet die 52-Jährige zum Beispiel. „Die Fußgelenkarbeit ist das A und O in der Leichtathletik.“

Die Körperhaltung ist entscheidend

Hopserlauf, Rückwärtslaufen, Hampelmann, Sidesteps, kurze Sprints – zu Beginn des Trainings setzte Drechsler ebenjene Übungen an, die jeder kann, aber für Ungeübte doch auch anstrengend sind. „Anfangs braucht man sehr viel Geduld, bis die Organe sich an das Training gewöhnt haben“, so die Erfahrung Drechslers. Etwa sechs Wochen brauche der Körper, um sich umzustellen. Gerade für Anfänger sei ein Puls über 180 „ein No-Go“. „Das geht nur bei einem Hundertmeterlauf mal, aber nicht auf die Distanz.“ Der Puls sei deshalb das erste Anzeichen, ob man richtig trainiere. In mehreren Runden um den Biergarten herum sollten die Teilnehmerinnen dieses Gefühl selbst spüren. Dazu gab Drechsler das Tempo vor. Ein schneller Sprint, dann bewusstes, langsames Joggen. „Wenn der Puls nicht mitmacht, Gang runter.“ Gut sei es die Schnelligkeitsübungen gleich am Anfang des Trainings zu machen, sagte Drechsler zwischendurch. „Da seid ihr noch frisch.“ Und natürlich ist auch die Körperhaltung entscheidend: „Lauft nicht in Rückenlage, sondern leicht nach vorne gebeugt“, sagte die ehemalige Profisportlerin. Sie ergänzte: „Denkt dran, ihr wollt das ja.“ Zwischendurch die eigene Körperspannung zu überprüfen schade deshalb auch nicht. Dazu hatte Drechsler einen Tipp ihres ehemaligen Trainers parat: „AZ nannte er das immer.“ Heißt: Arsch zusammenkneifen. Zum Abschluss dann: Krafttraining. Training im Freien ist ja längst ein großstädtischer Trend. Den nutzt auch Drechsler. Bänke, Steinbrunnen oder Pfeiler im Schlossgarten durften die Teilnehmerinnen als Hilfsmittel für Liegestützen und Bauchmuskeltraining nutzen.

Training mit dem Lauf-ABC

„Super war das alles“, sagte Adaeze Wolf am Ende des eineinhalbstündigen Workouts. Vor allem die Alternativen zum eintönigen Joggen, die Drechsler gezeigt hatte, fand sie hilfreich für ihr eigenes Training. Die Gesundheits- und Sportbloggerin macht häufig bei Läufen mit – von der Distanz her bis zum Halbmarathon. „Das Lauf-Abc ist dazu echt gut zum Trainieren.“ Ganz so viel Ausdauer brauchen Frauen beim Women’s Run übrigens nicht. Die Teilnehmerinnen können zwischen Fünf- und Acht-Kilometer-Distanzen wählen. „Das sind bewusst kleine Strecken mit geringer Hemmschwelle“, sagt Stephanie Fahnemann, Eventmanagerin bei Rodale-Motor-Presse. Veranstaltet wird der Lauf in sechs deutschen Städten von den Sportzeitschriften des Verlags und der Krankenkasse Barmer. „Wir wollen viele Frauen zum Laufen animieren“, ergänzt Fahnemann. In so einer großen Gruppe fielen Walkerinnen neben zügigen Läuferinnen nicht auf. Natürlich gibt es bei dem Nachmittag im Gazi-Stadion – Achtung, nun wird es klischeehaft – einiges drum herum: Wellness und Fingernägel lackieren und so. „Die Frauen lassen es sich gut gehen und tun Gutes für ihren Körper mit dem Laufen“, fasst Fahnemann das Event zusammen. Drechsler läuft natürlich auch mit.