Die Stadt Bietigheim-Bissingen baut für 16 Millionen Euro ein neues Schwimmbad als Ersatz für das marode Bad in Bissingen – allerdings nicht in der von den Vereinen ersehnten Größe.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Bietigheim-Bissingen - Schlangen vor dem Ratssaal, Ansturm auf die Plätze und gedrängt stehende oder auf Treppen sitzende Zuhörer, nachdem die Trennwände zum Foyer hin geöffnet sind: Das enorme Interesse an einer Gemeinderatssitzung ist einer mit Spannung erwarteten Entscheidung geschuldet. Im sich stark über den Sport definierenden Bietigheim-Bissingen soll bis zum Jahr 2022 ein neues Hallenbad gebaut werden. Das Votum, das dann fällt, sehen die einen als vertane Chance an, die anderen als immer noch großzügige Lösung.

 

Enttäuschte Vereine

Fakt ist: Statt ein marodes Hallenbad im Stadtteil Bissingen ersatzlos von der Liste der Zuschussbetriebe zu streichen, stellt die Stadt ihren Bürgern einen Neubau mit achtbahnigem 25-Meter-Becken, Lehrbecken und Sauna hin und gibt dafür 16 Millionen Euro aus. Zehn Millionen kommen aus dem Etat der Stadtwerke, sechs Millionen steuert die Stadt bei. Der Gemeinderat votierte am Dienstag mit großer Mehrheit für die Investition. Die Vereine, die sich dem Schwimmen und dem Tauchen verschrieben haben, sind dennoch enttäuscht.

Sie hatten auf ein flexibel aufteilbares, wettkampftaugliches 50-Meter-Becken gehofft. Ihrer Argumentation nach wäre das die einzig sinnvolle, zukunftsgerichtete Variante gewesen, um auch eine gute Schwimmausbildung zu gewährleisten. „Es geht hier nicht um Wunscherfüllung“, schrieben die Vereine in einem noch kurz vor dem Beschluss eilends versandten offenen Brief. Überhaupt hatte die Diskussion um das Bad emotional für hohe Wellen in der Stadt gesorgt. „Sportlich fair“, fand Oberbürgermeister Jürgen Kessing, „war das sicher nicht, was da im Vorfeld zum Teil gelaufen ist.“ Es stehe ja nicht zur Debatte, Bäder dicht zu machen, sondern man baue ein neues, „das noch dazu größer wird“.

Das Optimum, nicht das Maximum

Mit der Größe des Bades wächst auch die Größe des Abmangels: Bei der aktuellen Bissinger Schwimmhalle beträgt er rund 650 000 Euro jährlich (Kostendeckung: 18 Prozent), für den Ersatzbau kalkuliert die Stadt mit 810 000 Euro bei einem immerhin höheren Kostendeckungsgrad. Für die Variante mit 50-Meter-Becken wären es 1,3 Millionen Euro (Kostendeckung: 34 Prozent) gewesen. Für den Bau wären geschätzt 23,5 Millionen Euro angefallen. Angesichts dieser Diskrepanz in der einmaligen und perspektivschen Finanzierung fand Kessing: „Ich habe Verständnis dafür, dass man das Maximum möchte, aber uns steht auch das Optimum gut zu Gesicht.“

Viele Stadträte taten sich dennoch spürbar schwer und wurden nicht müde zu betonen, wie sehr sie die Arbeit der Vereine und die gesellschaftliche Verantwortung, der sie nachkämen, hochhielten. „Aber das Bad muss bezahlt und unterhalten werden. Die 50-Meter-Variante ist weder vermittelbar noch finanziell tragbar“, fand zum Beispiel der SPD-Rat Werner Kiemle. Sein CDU-Kollege Claus Stöckle schilderte seine Sicht als Leiter der Bietigheimer Realschule: Heutzutage stehe beim Unterricht leider weniger die Schulung von Schwimmtechniken im Vordergrund. Immer mehr Schüler müssten das Schwimmen lernen. Dafür sei ein 25-Meter-Becken besser geeignet. Bei doppelter Größe sei zudem auch ein höherer Geräuschpegel zu befürchten.

Einigkeit herrscht bei den Räten nicht

Einige Räte positionierten sich aber auch klar für das größere Bad – oder lehnten zumindest den Beschlussvorschlag für das kleinere ab, wie der FDP-Rat Georg Mehrle. Die Kostenberechnungen stünden in keinem verlässlichen Kontext, kritisierte er. Früher oder später müsse das Hallenbad am Viadukt – neben dem Bissinger Bad und dem Freibad eine weitere Schwimmstätte in der Stadt – aufgegeben werden. Dies mitbetrachtet, wäre es eventuell wirtschaftlicher, gleich das größere Ersatzbad zu bauen. Der Gemeinderat habe aber keine vertiefende Bedarfsanalyse vorlegt bekommen, die diesen Fall mit einkalkuliere.

Das Bad am Viadukt halte noch zehn bis 15 Jahre, sagte Jürgen Kessing. Und die Stadtwerke hätten noch viele andere Aufgaben neben den Bädern. „Man darf die Kuh nicht nur melken“, so der OB, „man muss sie auch füttern und leben lassen.“

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