Die Sprache eröffnet den Weg zur Integration. So steht es auch im neuen Integrationsgesetz. Der Weg zum Erlernen der deutschen Sprache ist für Flüchtlinge aber nicht immer einfach zu finden. Ein Überblick.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Babbel wäre eine von unzähligen Möglichkeiten, um schnell Deutsch zu lernen. So heißt eine App, die Lernwilligen Hilfe verspricht. Das kostet nichts. Die App ist gratis, wie viele andere auch. Aber nicht jeder Flüchtling verfügt über ein Smartphone oder eine Flatrate – und kann obendrein auch noch Englisch. In dieser Sprache unterhält sich nämlich bei Babbel sein anonymer Lehrer mit ihm. Der offizielle Weg zum Erlernen der deutschen Sprache führt über das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) und über die örtliche Ausländerbehörde.

 

„Ohne ausreichende Möglichkeiten des Spracherwerbs wird eine Integration der Neuzuwanderer nicht möglich sein“, heißt es – sprachlich holprig – im Entwurf für ein Integrationsgesetz, den die beiden Koalitionsfraktionen von Union und SPD demnächst in den Bundestag einbringen möchten. Sie versprechen eine „Anpassung des Integrationskurssystems an den gestiegenen Bedarf“ sowie in der Praxis „mehr Effizienz und Transparenz“. Wir bieten hier einen Überblick über die Möglichkeiten und die Schwierigkeiten des Spracherwerbs. Was sind Integrationskurse? Es gibt solche Kurse seit dem Jahr 2005. Sie sollen „die Integration und gesellschaftliche Teilhabe von Zuwanderern fördern“. Integrationskurse umfassen insgesamt 660 Unterrichtseinheiten, die jeweils einer Schulstunde entsprechen. Dazu gehören zwei Sprachkurse von je 300 Stunden sowie ein Orientierungskurs, der in die Rechtsordnung, die Geschichte und Kultur Deutschlands einführt. Alle Teilnehmer müssen sich zum Abschluss zweier Tests unterziehen. Ziel der Deutschkurse ist das Sprachniveau B1. Die Absolventen sollen sich demnach „einfach und zusammenhängend über vertraute Themen und persönliche Interessengebiete äußern“ können sowie „über Erfahrungen und Ereignisse berichten und zu Plänen und Ansichten kurze Begründungen oder Erklärungen geben“. Die Durchfallquote beim Sprachtest lag 2015 allerdings bei knapp 40 Prozent. Wer kann teilnehmen? Bisher sind Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive, zum Beispiel Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, berechtigt, einen Sprachkurs in Anspruch zu nehmen. Anerkannte Asylbewerber, die nur schlecht oder gar nicht Deutsch können, sind sogar zur Teilnahme verpflichtet. Das neue Integrationsgesetz will diese Pflicht auf Ausländer ausweiten, die schon Deutsch sprechen, deren Sprachkenntnisse aber nicht ausreichen, um einen Job zu bekommen. Zudem soll die Teilnahme an einem Integrationskurs auch Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive nicht mehr freiwillig sein, sondern obligatorisch werden. Insgesamt wurden bisher mehr als 1,3 Millionen Absolventen registriert. 2015 hat das Bundesamt 283 404 Ausländern einen Kurs genehmigt, darunter gut 33 000 aus Baden-Württemberg. 179 398 haben tatsächlich an einem Integrationskurs teilgenommen. Was kostet das? Je Teilnehmer wird mit einer Kostenpauschale von 3,10 Euro pro Unterrichtseinheit gerechnet. Das entspricht gut 2000 Euro pro Integrationskurs. Asylbewerber und Ausländer, die auf Hartz IV angewiesen sind, müssen für die Kurse nichts bezahlen. Alle anderen sind verpflichtet, jeweils die Hälfte der Kostenpauschale selbst tragen: 1,55 Euro pro Stunde. Den Rest trägt der Bund. Er hat dafür 2016 ein Budget von 559 Millionen Euro reserviert. Das würde ausreichen, um 273 000 Kursteilnehmer komplett zu finanzieren. Wer bietet solche Kurse an? 2015 waren fast 1500 Träger auf diesem Markt vertreten. Den Löwenanteil mit 36 Prozent der Integrationskurse bestreiten laut Bamf die Volkshochschulen. Dort sind die Kurse auf maximal 20 Teilnehmer beschränkt. In Baden-Württemberg veranstalten Volkshochschulen sogar rund die Hälfte aller Kurse, so der VHS-Landesverband. 2015 haben Volkshochschulen im Südwesten mehr als 1600 Integrationskurse mit fast 25 000 neuen Teilnehmern durchgeführt. Dazu kamen weit mehr als 1000 sonstiger Sprachkurse für Flüchtlinge. In Stuttgart gibt es etwa ein Dutzend Anbieter. Neben der Volkshochschule sind darunter auch die Arbeiterwohlfahrt, das Caritas-Migrationszentrum Bad Cannstatt, die Deutsche Angestellten-Akademie, der Internationale Bund und der Verein für Internationale Jugendarbeit. Seit 2005 hat das Bamf 30 000 Lehrkräften für Integrationskurse eine Lizenz erteilt. Gibt es genügend Sprachkurse? Seit 2005 hätten „ausnahmslos alle Personen mit Zugangsrecht“ einen Platz in einem Integrationskurs erhalten, sagt die Asylbehörde. Ihr Chef, der Bamf-Präsident Frank-Jürgen Weise, hatte hingegen noch im April beklagt, bei den Integrations- und Sprachkursen für Flüchtlinge fehlen für dieses Jahr 200 000 Plätze. Mangelnde Raumkapazitäten, ein hoher Verwaltungs- und Beratungsaufwand und Engpässe bei den Lehrkräften nennt der Volkshochschul-Verband Baden-Württemberg als Gründe dafür. Wegen der ungenügenden Honorare wanderten immer wieder Dozenten aus Sprach- und Volkshochschulen in staatliche Schulen ab. „Daher rührt der Mangel bei uns“, sagt VHS-Sprecher. Für Lehrkräfte, die Deutsch als Fremdsprache unterrichten oder Integrationskurse vermitteln, gibt es differenzierte Zulassungskriterien des Bamf. Selbst Übersetzer mit Hochschulabschluss oder Grundschullehrer, die bereits das erste Staatsexamen absolviert haben, benötigen dafür eine zusätzliche Qualifikation. Experten aus der Flüchtlingsbetreuung beklagen, dass Integrationskurse bisher „nur einer kleinen Gruppe offenstehen“. Asylbewerber mit schlechter Bleibeperspektive, etwa Menschen aus Pakistan oder Afghanistan, haben keinen Zugang. Diese Lücke füllen Kommunen und Kreise. So hat zum Beispiel die Stadt Stuttgart vergangenes Jahr 1104 Flüchtlingen einen Sprachkurs ermöglicht. Sie trägt in solchen Fällen 40 Prozent der Kosten, das Land 60. Es hat dafür 4,65 Millionen Euro bereit gestellt. Zuschüsse für 7000 Personen wurden bereits beantragt. In Stuttgart erhalten Flüchtlinge ohne Zugang zu Integrationskursen 300 Schulstunden Sprachunterricht. Das ist aber nicht überall so. Es gibt da ein Stadt-Land-Gefälle. Im Landkreis Heilbronn umfassen die alternativen Sprachkurse zum Beispiel nur 40 Unterrichtseinheiten.