Erst seit zwei Jahren ist Alexander Czysch als Leichtathlet unterwegs – doch der Sprinter vom VfB Stuttgart hat schnell den Turbo gezündet. Und Experten trauen dem U-18-Europameister noch einiges zu.

Stuttgart - Auch die Sommerferien eines Europameisters bestehen nicht nur aus Ausschlafen, Strand und langen Nächten. Zehn Tage war Alexander Czysch im Urlaub, jetzt aber ist der Schüler dabei, beim Ferienjob sein Taschengeld aufbessern. Muss auch mal sein.

 

Es fällt ihm nicht schwer, denn seine bislang größte Abenteuerreise hat er bereits fest vor Augen: Vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) ist der 16 Jahre alte Leichtathlet des VfB Stuttgart am Dienstag offiziell für die dritten Olympischen Jugend-Sommerspiele in Buenos Aires (6. bis 18. Oktober) nominiert worden. Eine Formsache war es, nachdem der Teenager mit polnischen Wurzeln bei den U-18-Europameisterschaften Anfang Juli im ungarischen Györ für eine faustdicke Überraschungen gesorgt hatte: In neuer Bestzeit von von 21,15 Sekunden gewann er die Goldmedaille über 200 Meter.

Es ist der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die passend zur Disziplin, rasend schnell verläuft. Erst zwei Jahre liegt es zurück, dass Alexander Czysch den Weg zur Leichtathletik fand. Als Kind hatte er beim TV Cannstatt Fußball gespielt. Doch die Mannschaft löste sich irgendwann auf, die Mitspieler gingen zum MTV oder FC Stuttgart, doch darauf hatte der Stürmer keine Lust. „Ich habe erstmal vier Jahre lang gar nichts gemacht.“

Ein Lehrer erkennt das Talent

Dann fiel einem Sportlehrer am Porsche-Gymnasium in Zuffenhausen auf, wie schnell sein Schüler auf den Beinen ist. „Geh doch mal zur Leichtathletik“, sagte er – und Czysch tat im Herbst 2016, wie ihm empfohlen. Bei Salamander Kornwestheim trainierte er zunächst aber nur zweimal in der Woche und wusste nicht einmal, dass es auch Hallentraining gibt. Trotzdem gewann er im Juli 2017 bei den Süddeutschen Meisterschaften in Wetzlar über 100 Meter in 10,97 Sekunden völlig überraschend die Goldmedaille der U-18-Junioren. Bei den Deutschen Nachwuchsmeisterschaften in Ulm belegte er anschließend Rang fünf, in 10,77.

„Zum Sprint muss man geboren sein – das ist Alex“, sagt Micky Corucle (56). Der Rumäne zählt zu den erfahrendsten Trainern im Land, er war Coach von Tobias Unger, jahrelang bester Sprinter Deutschlands. Corucle musste nicht lange hinschauen, als Czysch zu Beginn der abgelaufenen Saison zu ihm kam. „Er ist ein Naturtalent.“

Erhöhtes Pensum unter Trainer Corucle

Beim VfB begann Czisch unter Corucle, strukturierter und zielgerichteter zu arbeiten. Nicht mehr nur zwei-, sondern fünfmal in der Woche trainierte er, gemeinsam ging es ins Trainingslager nach Portugal. Seine Bestzeit über 100 Meter steigerte der Sprinter auf 10,67 Sekunden; über 200 Meter wurde er Europameister und drei Wochen später in Rostock auch Deutscher Meister der U-18-Junioren. „Dabei habe ich die 200 Meter am Anfang gehasst“, sagt er, „das war für mich wie Langstrecke.“

Wenn es nach seinem Trainer geht, wird es für Czysch bald erst richtig anstrengend. „Ich sehe ihn langfristig auf der 400-Meter-Strecke“, sagt Corucle. Auf der Stadionrunde erkennt der Coach nicht nur in Deutschland, sondern auch international „eine Riesenlücke“. Zudem könnte sein Schützling dort „sein unglaubliches Stehvermögen“ noch besser zur Geltung bringen.

Potenzial wie Tobias Unger

Wie weit es für Czysch in den nächsten Jahren noch nach oben gehen könnte? Corucle wagt eine Prognose: „Wenn er gesund bleibt, hat er das gleiche Potenzial wie Tobias Unger.“ Der inzwischen 39-Jährige, als Athletiktrainer bei den VfB-Fußballern unter Vertrag, gewann in seiner Karriere vier internationale Medaillen und 15 deutsche Meistertitel. Über 200 Meter erreichte er 2004 den Olympia-Endlauf und hält noch immer den deutschen Rekord (20,20 Sekunden).

Alexander Czysch hat also noch viel Arbeit vor sich, wenn er tatsächlich in die Fußstapfen von Unger treten will. Aber er hat ja auch gerade erst begonnen.