Die Staatsgalerie Stuttgart und vierzehn weitere deutsche Museen machen öffentlich, wie sie an die Bilder des jüdischen Kunsthändlers Alfred Flechtheim gelangt sind. Die Flechtheim-Erben stehen dem Projekt skeptisch gegenüber: Einige Werke seien illegal im Besitz der Museen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Es war eine Idee mit den besten Absichten. Fünfzehn Museen – darunter auch die Staatsgalerie Stuttgart – haben sich zusammengeschlossen zu einem Projekt über Alfred Flechtheim. Er war einer der großen deutschen Kunsthändler, machte den Rheinischen Expressionismus bekannt und brachte den französischen Kubismus nach Deutschland. Seine Händlertätigkeit hat viele Spuren in den deutschen Museen hinterlassen.

 

In dieser Woche haben gleich mehrere Museen Ausstellungen zu Flechtheim eröffnet, außerdem wurde eine Homepage mit den betreffenden Bildern und Forschungsergebnissen online gestellt – und schon hagelt es Kritik. Die Flechtheim-Erben erheben Vorwürfe gegen einzelne Museen, dass sie noch immer Werke nicht zurückgegeben hätten, die ihnen zustünden. Mit der Homepage wollten die Museen zudem die Geschichte Flechtheims „einseitig schreiben“.

Dabei wollten die Museen das Gegenteil erreichen und zweifelhaften Besitz prüfen. Alfred Flechtheim, geboren 1878, war jüdischer Abstammung. Die nationalsozialistische Presse hetzte gegen ihn, seine Galerie in Düsseldorf wurde liquidiert, Werke wurden verschleudert. Flechtheim ging nach London und starb 1937 verarmt, seine Frau nahm sich nach einem Deportationsbescheid das Leben, viele Kunstwerke wurden von der Gestapo beschlagnahmt.

Sonderschau mit sieben Werken

In jüngerer Zeit haben viele Museen versucht, die Herkunft ihrer Bestände zu klären, einige haben eigens Stellen zur Provenienzforschung eingerichtet. Tessa Friederike Rosebrock, Provenienzforscherin an der Kunsthalle Karlsruhe, durchforstet seit drei Jahren die Bestände und ist auf ein Bild von Carl Hofer gestoßen, das durch Flechtheims Hände ging. In der Kunsthalle Hamburg sind es sogar 37 Werke, die untersucht werden mussten.

Die Staatsgalerie Stuttgart zeigt nun in einer kleinen Sonderschau sieben Werke, die mit Flechtheim in Verbindung standen. Auf Texttafeln werden die Verkaufswege nachgezeichnet – und man sieht, wie kompliziert diese oft sind. Paul Klees Gemälde „Jungwandtafel“ von 1926 wurde zum Beispiel 1928 von einem Schweizer Händler erworben. In den dreißiger Jahren ging es an eine amerikanische Sammlerin. Deren Erben gaben es 1959 als Leihgabe in eine Ausstellung in Los Angeles, wo das Bild allerdings gestohlen wurde. Der Dieb bot es schon bald einer Galerie in München zum Verkauf an, zwei Jahre später wurde es von der Nationalgalerie erworben, die allerdings aus der Zeitung erfuhr, dass es gestohlen worden war. Verworrene Verkaufswege – aber kein Restitutionsfall.

Da Flechtheims Testament im Krieg verbrannt wurde und häufig keine Rechnungen und Verkaufsakten mehr existieren, ist es für die Forscher ein mühsames Unterfangen, die Besitzverhältnisse zu klären, zumal es auch Mauscheleien gab. Das „Stillleben mit Vase, Kanne und Fruchtkorb“ von Maurice de Vlaminck aus dem Jahr 1907 wurde 1959 von der Staatsgalerie gekauft – angeblich aus der Sammlung eines norwegischen Reeders. Doch die Provenienz war gefälscht, die Marlborough Gallery hatte das Bild unter die Sammlung gemogelt, um es interessanter zu machen. Hugo Borst dagegen, dessen Sammlung sich heute in der Staatsgalerie befindet, kaufte bei Flechtheim ein Bild von Willi Baumeister, tauschte es später aber aus gegen Baumeisters „Läuferin II“ von 1925.

Bonn hat sich mit den Erben geeinigt

Mit der Homepage wollen die Museen „die große Bandbreite der Flechtheim-Fälle aufzeigen“, so Rosebrock. Vor allem wolle man signalisieren, dass man nichts zu verbergen hat. „Niemand will festhalten, was ihm nicht gehört“, so Rosebrock.

So hat sich das Kunstmuseum Bonn 2012 als erstes Haus mit den Flechtheim-Erben geeinigt. Das Bild „Leuchtturm mit rotierenden Strahlen“ (1913) von Paul Adolf Seehaus bleibt im Museum, die Erben erhielten eine Entschädigung. Die Kunstsammlung NRW konnte dagegen immer noch nicht die Besitzverhältnisse eines Bildes von Paul Klee klären. Für die Flechtheim-Erben ist klar, dass die Entscheidung verschleppt wird. Vorwürfe formulierten sie auch gegenüber der Bayerischen Staatsgemäldesammlung in München, die die Gespräche eingestellt hat. Deshalb haben die Erben, kaum war die Flechtheim-Datenbank online, auf einer eigenen Pressekonferenz erklärt: „Wir fordern, dass die 1999 in der ,Gemeinsamen Erklärung’ festgelegten Grundsätze konsequent von allen Einrichtungen angewendet werden.“