Das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum feiert sein 25-jähriges Bestehen. In der Bilanz sind Zuschüsse für 30 Schwimmbäder, 309 Gemeinschaftshäuser und Gelder für den Erhalt von 245 Bäckereien.

Stuttgart - Der ländliche Raum soll nicht abgehängt sein von der Entwicklung in den Städten: Das ist seit 25 Jahren der Grundsatz des Entwicklungsprogramms „ELR“ des Landes Baden-Württemberg. Im Jahr des „silbernen Jubiläums“, so Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) am Montag, seien 487 Gemeinden ausgewählt worden. In ihnen werden 1538 Projekte durchgeführt, die sich um die Förderschwerpunkte Wohnen, Arbeiten, Grundversorgung mit Läden und Praxen sowie Gemeinschaftseinrichtungen drehen. „Es ist uns gelungen, die Fördermittel noch mal um knapp 15 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr zu steigern. Mit der Fördersumme von 90 Millionen Euro werden landesweit Investitionen in Höhe von 729 Millionen Euro angestoßen – das sind 109 Millionen Euro mehr als 2018.“

 

Ein Gastwirt expandiert – und baut ein Hotel

Im letzten Vierteljahrhundert seien über das Programm für 26 163 Projekte rund 1,6 Milliarden Euro ausgezahlt worden, die fast das Achtfache der Fördersumme an privaten Investitionen ausgelöst hatten, nämlich 12,6 Milliarden Euro, so der Minister. Ein Ausschnitt aus der Förderstatistik gibt einen Fingerzeig, worum es eigentlich geht: 309 Dorfgemeinschaftshäuser sind bezuschusst worden, außerdem 30 Freibäder, 246 Bäckereien und 182 Metzgereien. „Dass wir im Südwesten eine weitgehend dezentrale Siedlungsstruktur haben, das ist auch ein Verdienst dieses Programms – und darauf bin ich stolz“, meinte Hauk.

Besonders erfreut sei er über die hohe Flexibilität dieser Regionalförderung. So sei die Förderung von Dorfgasthäusern im Rahmen der Grundversorgung als „neue Sonderlinie“ aufgenommen worden. Das Verschwinden der Landgasthöfe und Dorfkneipen sei für viele Gemeinden „bitter“. „Eine attraktive Gastronomie trägt zum vitalen Ortsbild und zur Grundversorgung bei. Es geht ja nicht nur ums Essen, sondern um einen Ort für die Gemeinschaft, zum Feiern, für Vereinsversammlungen mit intensiven Diskussionen.“ In der jüngsten Programmentscheidung für 2020 konnten immerhin rund fünf Millionen Euro für gastronomische Projekte eingeplant werden. Einer der Nutznießer ist beispielsweise Josef Ellgass, der einen seit 100 Jahren in Familienbesitz befindlichen Landgasthof in Argenbühl-Eglofs (Kreis Ravensburg) betreibt und der früh erkannt hat, dass er fürs wirtschaftliche Überleben ein zweites Standbein braucht – ein Hotel. Das Schwierigste sei die Finanzierung gewesen, aber schließlich habe er eine Bank gefunden, die an ihn glaubte, so Ellgass: „Der Bankvorstand sagte, wir haben auf dem Land so viel Industrie, so viele wertvolle Dinge, wir brauchen auch Hotels.“ Auch die Förderung durch das Land sei „eine Erleichterung und Anerkennung“ gewesen.

Das Land setzt auch umweltpolitisch ein Zeichen

Der Schwerpunkt bei der Grundversorgung liegt aber anderswo – beispielsweise beim Halten von Bäckern, Metzgern, Schreinern, Friseursalons und Ärzten im Dorf: Im neuen Programm fließen rund 9,3 Millionen Euro in diese Form der Grundversorgung, das wird Investitionen von knapp 52 Millionen Euro anstoßen. Auch aus Bundesmitteln fließen Beträge in diesen Fördertopf, und zwar aus der Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur- und Küstenschutz. Das Land nutzt die Förderung auch, um umweltpolitische Akzente zu setzen: Mehr als 50 Prozent der Mittel fließen in den Förderbereich Wohnen, und da gilt seit 2019 eine Besonderheit. Für die Verwendung von Holz beim Bauen oder Sanieren gibt es einen Förderzuschlag, damit dieser nachhaltige Baustoff unterstützt wird. Immerhin schon 306 Holzprojekte sind bewilligt worden. Im Vorjahr erhielten rund 20 Prozent der Förderprojekte im Bereich Wohnen den Bonus für die Verwendung von Holz, im laufenden Jahr seien es bereits 30 Prozent. Für das Ministerium ist das ein Beleg dafür, dass die Akzeptanz von Holzbauten bei den Bürgern hoch ist.

Ein Blick in die Jubiläumsschrift des Förderprogramms zeigt die vielfältigen Möglichkeiten: So ist im 700-Einwohner-Ort Hardheim-Schweinberg (Neckar-Odenwald-Kreis) am Rande einer einsturzgefährdeten Stadtmauer ein sogenannter Mehrgenerationenplatz entstanden – ein Spielplatz für die Jungen und ein Treffpunkt für die Älteren. Die Bürger packten bei der Sanierung fleißig mit an, leisteten 1100 Stunden ehrenamtliche Arbeit. Die Mauer konnte saniert werden, das Freigelände wurde „möbliert“. „Allein und ohne die Förderung hätten wir das nicht geschafft“, sagt der Ortsvorsteher Dieter Elbert.

Wer ein überzeugendes Konzept zur Sanierung von alter Bausubstanz vorlegt, der kann auch als Privatmensch Gelder aus dem Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum beantragen: Die Familie Kotthoff aus dem Ort Wildberg-Effringen (Kreis Calw) hat dies getan, als es um die Sanierung eines mehr als 100 Jahre alten Bauernhauses ging: „Von außen sah das Haus noch ganz okay aus“, erinnert sich Judith Kotthoff, aber innen wirkte es „eng, muffig und dunkel“, und auf dem Dachboden wohnte ein Marder. Nach zwei Jahren der Sanierung mit erheblicher Eigenleistung sei kein Stein auf dem anderen geblieben, so die Hausbesitzerin, die jetzt mit dem Ergebnis hochzufrieden ist: „So ein Haus ist voller Schätze.“ Das Verfahren der Antragsstellung sei im Übrigen „unspektakulär einfach“.