Erstmals ist in Stuttgart der Staatspreis Baukultur Baden-Württemberg verliehen worden. Dabei erhielt auch der Hospitalhof eine Auszeichnung. Von der Anzahl der gewonnenen Preise hatte Pforzheim allerdings die Nase vorn.

Stuttgart - Das Haus der Wirtschaft, wo am Dienstag zum ersten Mal der Staatspreis Baukultur Baden Württemberg verliehen wurde, sei ein gutes Beispiel, sagt Winfried Hermann, der Minister für Verkehr und Infrastruktur des Landes: „Es wurde aufwendig saniert. Aber wenn Sie aus dem Gebäude rausgehen, sehen Sie, da ist etwas vergessen worden: der Platz drumherum.“ Unter Baukultur versteht auch Barbara Ettinger-Brinckmann, die Juryvorsitzende und Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, „nicht das Haus isoliert“, selbst wenn dieses Architekturpreise gewinnen sollte, sondern „das Zusammenspiel aller Faktoren zu einem gelungenen Ganzen.“ Dazu zählt die städtebauliche Qualität, zählen gerade auch Infrastruktur- und Ingenieurbauten, zählt Nachhaltigkeit ebenso wie Ästhetik und der Nutzen für die Gemeinschaft.

 

So ist der Staatspreis nun in sieben Kategorien verliehen worden: je ein Preis und zwei Auszeichnungen für Städtebau, Infrastruktur, Wohnungsbau, Gewerbe- und Industriebau, Bauen für die Gemeinschaft, für Bildung und Forschung sowie für öffentliche Räume und Freiräume. Für die Qualität der Planungsprozesse gibt es eine weitere Auszeichnung. In Stuttgart erhält einmal mehr der Hospitalhof von Lederer, Ragnarsdöttir und Oei einen Preis, kaum hundert Meter vom Haus der Wirtschaft entfernt: für die „Wiedergewinnung urbaner Qualität an historischem Ort.“ Mit seinen hellen Ziegeln, anknüpfend an die historische Substanz des halb zerstörten Kirchenbaus, hebt sich der Komplex in der Tat wohltuend von der grauen Ödnis seiner Umgebung ab – und strahlt umso heller hervor, als in Stuttgart von Baukultur sonst wenig die Rede sein kann.

Ja doch, unter den Nominierungen finden sich auch die Einhausung einer Skateranlage am Pragfriedhof und die energetische Sanierung eines Hochhauses am Fasanenhof: für den gelungenen Prozess, viele heterogene Einwohner unter einen Hut zu bringen. Doch die Landeshauptstadt steht diesmal nicht im Mittelpunkt, und es bräuchte viele Hospitalhöfe, um halbwegs wiederherzustellen, was auch weiterhin immer noch an baulichen Qualitäten kaputt gemacht wird.

Pforzheim hat die Nase vorn

Geht es nach der Zahl der Preise, so hat Pforzheim die Nase vorn, mit dem neuen Zentralen Omnibusbahnhof und einem Energieeffizienzhaus: Das unter rein ästhetischen Gesichtspunkten eher schlichte, von neun auf zehn Etagen aufgestockte Wohnhochhaus ist ein schönes Beispiel dafür, wie sich die energetische Sanierung eines wenig baukulturverdächtigen Siebzigerjahrebaus anders realisieren lässt als auf die zweifelhafte Standard-Methode, „nur ein Wärmedämmpaket außen drauf zu klatschen“ – wie sich Ettinger-Brinckmann ausdrückt. Damit reüssierte das Hochhaus an der Pforzheimer Bahnlinie in der Kategorie Wohnungsbau und verwies den optisch ansprechenderen, geschwungenen Mannheimer Schwarzwaldblock auf den Rang einer Nominierung.

Aber Mannheim geht auch nicht leer aus: Den Preis für Gewerbe- und Industriebau erhält das Kreativwirtschaftszentrum C-Hub, das als ziegelrot eingefärbtes Sichtbeton-Regal den Stadtteil Jungbusch aufwertet. Der Entwurf stammt von Hartwig Schneider, einem Stuttgarter Büro ebenso wie Metaraum, die Planer des Pforzheimer Busbahnhofs. Aber der Staatspreis geht nicht an die Architekten allein, sondern, wie Ettinger-Brinckmann hervorhebt, auch an die Bauherren, die zu allererst für Baukultur verantwortlich seien. Ein schönes Beispiel, das auch zu recht einen Preis erhielt, ist der im Zuge der Landesgartenschau geschaffene neue Stadteingang von Schwäbisch Gmünd, wenn auch der Prozess nicht immer einfach war und ein unschöner Klotz nun den Blick vom Bahnhof zur Stadt verstellt.

Einen Preis erhielt auch der Schwetzinger Schlossplatz. Da der Autoverkehr auf ein erträgliches Maß zurückgestutzt wurde, kommt die barocke Anlage zu neuer Geltung. Am Tübinger Johanneum ergänzen drei klinkerverkleidete Kuben sensibel die denkmalgeschützte historische Villa: Dafür gibt es einen Preis in der Kategorie Bildung und Forschung. Minister Hermann war der Staatspreis ein persönliches Anliegen. Er hat als Mitglied der Jury – zu der auch Amber Sayah, die Redakteurin der Stuttgarter Zeitung gehört – an allen Sitzungen teilgenommen und wünscht sich, dass aus dem Land der Häuslesbauer, der Architekten und Ingenieure nun auch ein Land der Baukultur werde.