In den Werkbetrieben der JVA Heimsheim arbeiten rund 200 Gefangene und stellen Produkte für Kunden her.

Heimsheim - In unserer Serie „Stadt hinter Mauern“ werfen wir einen Blick hinter die Mauern der Justizvollzugsanstalt Heimsheim und stellen die unterschiedlichen Arbeitsbereiche und Abteilungen einmal genauer vor. Mitarbeiter berichten von ihren Aufgaben und ihren Erfahrungen und von den Herausforderungen des Gefängnisalltags. Heute: Die Werkbetriebe.

 

Weinherstellung in einem Gefängnis, und das ganz legal? Ja, so etwas gibt es. Zwar nicht in Heimsheim, doch das Feld der Werkbetriebe in den Vollzugsanstalten in Baden-Württemberg ist breit gefächert. „Jede Niederlassung hat ähnliche Betriebe, aber auch ein paar individuelle“, erklärt Lars Klapper, Geschäftsführer der VAW-Betriebe in Heimsheim. VAW steht für „Vollzugliches Arbeitswesen“. In jedem Gefängnis im Land gibt es eine VAW-Niederlassung. Alle Gefangenen, die arbeitsfähig sind und nicht schon an anderer Stelle eingesetzt sind, wie zum Beispiel in der Küche oder der Wäscherei, müssen hier zur Arbeit gehen.

Der Arbeitsalltag beginnt früh. Jeden Morgen um 6.10 Uhr ist das Arbeiterabrücken. Aus den unterschiedlichen Abteilungen gehen die Männer geschlossen von den Zellen hinüber zu dem großen Komplex mit den Betrieben. Dann wird gearbeitet bis zur Mittagspause. Zwischendurch und im Pausenraum ist auch mal ein Pläuschchen mit den „Kollegen“ drin. So gesehen ist der Alltag für die Männer hier nicht viel anders als außerhalb der Gefängnismauern – mit dem großen Unterschied, dass sie mittags nicht nach Hause gehen können, sondern ihr Mittagessen in ihrer Zelle zu sich nehmen. Die Auswahl an unterschiedlichen Arbeitsplätzen ist natürlich ebenfalls eingeschränkt.

Holzwerkstatt und Werbetechnik

Eine Schreinerei oder eine Schlosserei gibt es in so ziemlich jedem Gefängnis in Baden-Württemberg, so auch in Heimsheim. Eine Besonderheit hier sind die Werbetechnik und die Holzwerkstatt. Bei der Werbetechnik geht es um Textilveredelung, zum Beispiel das Bedrucken von T-Shirts mit Firmen- oder Vereinslogos. „Das Design wird entweder von den Kunden gleich mitgebracht, oder es wird von den Kollegen vor Ort erst entworfen“, erklärt Lars Klapper. „Die Holzwerkstatt geht auf das persönliche Engagement des Kollegen Marco Link zurück.“ Der Werkmeister hat eine besondere Verbindung zu Natur- und Umweltschutz und wollte das gerne mit der Arbeit in der JVA verknüpfen. Aus einer ersten Idee wurde ein richtiges Konzept, das Früchte trägt: Mittlerweile stellen die Arbeiter der Werkstatt Nistkästen, Bienenhotels, Brutkästen für Fledermäuse und vieles mehr her. Das Besondere daran: Die Produkte tragen eine sogenannte FSC-Zertifizierung. Das ist ein spezielles Umweltsiegel, das es nur für Produkte gibt, deren Holz ausschließlich aus nachhaltiger Waldwirtschaft stammt.

Unterschieden wird in der JVA Heimsheim zwischen den Eigenbetrieben und den Unternehmerbetrieben. In den Unternehmerbetrieben stellt die JVA Räume und Personal den Kunden zur Verfügung, erklärt Klapper. „Eine Firma bringt uns zum Beispiel Hunderte Meter Stahl vorbei, damit wir sie zusägen. Oder wir setzen gelieferte Einzelteile zusammen.“ In den Eigenbetrieben werden im Auftrag von Kunden eigenständig Produkte hergestellt, in der Schreinerei zum Beispiel Möbel oder Türen.

Insgesamt arbeiten 34 Meistertechniker und Therapeuten in den Werkbetrieben – die Therapeuten betreuen die Gruppen für die Arbeitstherapie –, außerdem rund 200 Gefangene. „Das ist hier wie eine Firma“, fasst Lars Klapper es zusammen.

Kein Mindestlohn für die Gefangenen

Für gewöhnlich gilt für die Gefangenen eine 36-Stunden-Woche. Gewohnte Maßstäbe also. Große Unterschiede gibt es dagegen beim Stundenlohn. Der beträgt um die 1,80 Euro, je nach Betrieb kann der Betrag leicht schwanken. Der Mindestlohn muss deshalb nicht bezahlt werden, „weil das hier ein öffentlich-rechtliches System ist, kein privatrechtliches“, erklärt Lars Klapper. Zu bedenken sei allerdings, dass sonstige Kostenpunkte wie für Unterkunft, Verpflegung und Arztbesuche für den Gefangenen wegfallen.

Ein Teil des dreistelligen Endbetrags wird grundsätzlich auf ein Konto einbezahlt, das Geld bekommt der Gefangene nach seiner Entlassung ausbezahlt. Den anderen Teil bekommt er zur freien Verfügung im Vollzug, wovon er große und kleine Dinge des Alltags bezahlen kann – von der Fernseher-Miete bis hin zur einfachen Tafel Schokolade. Die geringe Bezahlung stößt auch auf Kritik, vor allem durch die Gefangenengewerkschaft.

Ein ganz neuer Anfang

Das VAW in Heimsheim gleicht einer Firma, beschreibt es der Geschäftsführer Lars Klapper. Und wie in vielen Firmen wird auch in der JVA Heimsheim ausgebildet. Wer die passenden Voraussetzungen mitbringt, kann hier eine zweijährige Ausbildung zum Maschinen- und Anlagenführer machen, acht Plätze gibt es. Den Absolventen soll das in Freiheit ganz neue Möglichkeiten bieten. Den praktischen Unterricht gibt es direkt im Betrieb, den theoretischen in der Schule des Gefängnisses.

Doch die Lage ist derzeit nicht die beste, sagt Lars Klapper. „Vor zehn Jahren hatten wir deutlich mehr Azubis und auch ganz andere Möglichkeiten.“ Eine Schwierigkeit sei das geänderte Klientel. Einerseits steige die Zahl von Gefangenen mit kurzen Strafen, „wer nicht einmal zwei Jahre hier ist, braucht keine zweijährige Ausbildung zu beginnen“. Andererseits bringen die Insassen immer weniger Vorkenntnisse mit, nicht nur was die Sprache angeht. „Oft fehlen auch sämtliche mathematischen Vorkenntnisse.“ Hinzu kommt das Problem, dass selbst in Freiheit ein Mangel an Berufsschullehrern herrscht. Bei der Besetzung offener Stellen hat die JVA daher das Nachsehen. „Deshalb können wir auch keine Druckerei-Ausbildung mehr anbieten“, bedauert Klapper.

Ebenso ist die Arbeitstherapie ein wichtiger Bestandteil des Gefängnisalltags. Es gibt einige Insassen, die nicht unbedingt arbeitsunfähig sind und trotzdem nicht in die Betriebe gehen könnten. Substituierte zum Beispiel – Heroinsüchtige, die Ersatzdrogen erhalten müssen, – können durchaus arbeitsfähig sein, erklärt Lars Klapper. Jedoch können sie Schwierigkeiten haben mit den klassischen Bedingungen, auch mit dem Zeitdruck, die in einem normalen Betrieb herrschen. Eine reine Beschäftigungstherapie wäre aber nicht zielführend, sagt Klapper. „Was hier produziert wird, wird schon auch verkauft. Die Tätigkeit soll schließlich auch für die Männer hier einen sichtbaren Wert haben.“