In der Kammer werden alle Habseligkeiten der Insassen aufbewahrt, die nicht mit in die Zelle dürfen.

Heimsheim - In unserer Serie „Stadt hinter Mauern“ werfen wir einen Blick hinter die Mauern der Justizvollzugsanstalt Heimsheim und stellen die unterschiedlichen Arbeitsbereiche und Abteilungen einmal genauer vor. Mitarbeiter berichten von ihren Aufgaben und ihren Erfahrungen und von den Herausforderungen des Gefängnisalltags. Heute: Die Kammer.

 

Es ist ein großes Stück Identität, dass ein Mensch abgibt, sobald er ins Gefängnis kommt. Viele persönliche Gegenstände sind hier nicht erlaubt. „Manche kommen hier an mit einer Reisetasche, andere haben nur das dabei, was sie am Leib tragen. Das wird alles bei uns registriert und aufbewahrt“, erklärt Gunter Zuber. Der Amtsinspektor arbeitet in der JVA Heimsheim, seit sie 1990 eröffnet wurde. Seit einigen Jahren ist er in der sogenannten Kammer. Eigentlich ist das die Effekten-Verwaltung, aber jeder nennt sie nur „Kammer“, so steht es auch auf den hauseigenen Wegweisern.

Nach der Außenwache sind wir der erste Kontakt für die Gefangenen.“ Egal ob sie mit dem Bus ankommen, von der Polizei gebracht werden oder nach einem Freigang wieder vor der Tür stehen. Hier werden sie unter anderem genau durchsucht und kontrolliert. „Es gibt immer welche, die versuchen, etwas von draußen mit reinzubringen. Mit der Zeit entwickelt man ein ganz gutes Gespür dafür, wer vielleicht etwas nervöser ist als sonst und etwas dabeihaben könnte.“ Freigänger müssen sich außerdem einem Alkoholtest stellen: Für sie gilt eine Null-Promille-Grenze. „Es kommt oft vor, dass die Leute da durchfallen, weil sie denken: Ein Bierchen, das merkt schon keiner.“ Mit den Lockerungen im Vollzug kann es dann ganz schnell wieder vorbei sein.

Besitztümer werden verpackt und versiegelt

Die Neuankömmlinge durchlaufen in der Kammer die komplette Aufnahmeprozedur: Wer sind sie, was haben sie für besondere Merkmale wie Tattoos, was tragen sie alles bei sich? „Wir entscheiden zwischen Wertsachen und ihrer Habe.“ Wertsachen wie Ausweis und Papiere kommen gesammelt in einen Schrank. Alles andere – Jacke, Handys, Schmuck und so weiter – kommt in einen großen Beutel oder ein Paket, die verschlossen und versiegelt werden. Mit diesem Siegel soll gewährleistet werden, dass niemand den Beutel öffnet, ohne dass der Gefangene dabei ist. „Das ist zum Teil ein ganzes Leben, das in diesen Paketen ist. Wenn ein Gefangener nach 20 Jahren entlassen wird, ist das zum Teil seine einzige Habe.“

Klamotten dürfen die Gefangenen von draußen mitbringen oder sich bestellen, „eigene Unterwäsche zum Beispiel und normale Bekleidung wie T-Shirts und Sweatshirts“, erklärt Zuber. Deren Anzahl ist aber begrenzt. Persönliche Bettwäsche findet man ebenfalls in den Zellen, auch Bilder von der Familie sind erlaubt – aber auch die nur in begrenzter Stückzahl. So erhalten sich die Gefangenen ein Stück ihrer Individualität, sagt Zuber.

Fernseher und Spielekonsolen sind zum Teil erlaubt

Nichts also mit den schwarz-weiß gestreiften Häftlingsklamotten, wie man sie heute noch aus Cartoons oder alten Schwarz-Weiß-Filmen kennt. Nichtsdestotrotz gibt es in der JVA Heimsheim eigene Gefängniskleidung. Nur sieht die in großen Teilen nicht wie Gefängniskleidung aus: Jeans, Oberteile und Schuhe bekommt jeder Neuankömmling bei seiner Ankunft in seiner Größe überreicht, besonders bei der Arbeit in den Betrieben kommt diese zum Einsatz. Dazu gibt es ein Paket aus Handtüchern, Bettzeug, Bettwäsche und eigenem Essgeschirr: Kanne, Tasse und Teller aus Aluminium und einen Satz Messer, Gabel und Löffel – natürlich aus Kunststoff. Denn metallenes Besteck, vor allem Messer, ist im Gefängnis tabu.

Während es bei manchen Gegenständen eher verwundert, dass sie verboten sind, wenigstens in zu großer Stückzahl, sind wieder andere erstaunlicherweise erlaubt: Ein Gefangener darf zum Beispiel einen Fernseher und eine alte Spielekonsole haben. Die müssen jedoch so präpariert sein, dass ihre Außenhülle durchsichtig ist – damit darin nicht heimlich etwas versteckt oder Einzelteile ausgebaut werden können. Auch die USB-Anschlüsse sind abgeklemmt. „Selbst Musikinstrumente sind zum Teil zugelassen, manche haben zum Beispiel eine Gitarre“, berichtet Gunter Zuber. „Langjährige Gefangene dürfen sich sogar Vögel halten.“

Klischee vs. Realität

Klischee: Jeder Gefangene muss als erstes eine Ganzkörpervisitation über sich ergehen lassen.

Realität: Der Gefangene muss seine Kleidung ablegen, damit sie vollständig durchsucht werden kann. Das Durchsuchen von Körperöffnungen ist dagegen nicht mehr erlaubt. Dumm nur, wenn ein geschmuggelter Gegenstand trotzdem vom Metalldetektor entdeckt wird – so wie im Fall einer Frau, die vor vielen Jahren zu Besuch in der JVA war. Die hatte in ihrem Hinterteil anscheinend nicht nur ein Handy versteckt, sondern das Ladekabel gleich mit dazu.