Das Virus legt auch die kommunalen Gremien weitgehend lahm: Um wichtige Entscheidungen treffen zu können, müssen neue Wege gefunden werden. Oder sie werden ganz vertagt – wie die Bürgermeisterwahl in Ludwigsburg. Wann Gabriele Nießens Nachfolge geregelt werden kann, bleibt offen.

Kreis Ludwigsburg - Dietmar Allgaier lässt seinen Blick über den ungewöhnlich besetzten Sitzungssaal gleiten: Rund zwei Dutzend Kreisräte sitzen am Montag vor dem Landrat, verteilt auf weit voneinander aufgestellten Einzelplätzen. Ins Kreishaus eingelassen worden waren die Mitglieder des Verwaltungsausschusses von Mitarbeitern eines Security-Dienstes, die über die Eingänge des Gebäudes wachen. „Wir haben uns sehr ernsthafte Gedanken gemacht, ob wir die Sitzung durchführen können“, sagt Allgaier. Es seien aber wichtige Personalentscheidungen zu treffen, also hätten Ältestenrat und Verwaltung beschlossen, die Sitzung „unter Einhaltung maximaler Sicherheitsvorschriften“ abzuhalten.

 

Die Kreistagssitzung am 3. April hingegen ist abgeblasen. „105 Kreisräte, das wäre hier im Haus ohne Sicherheitsabstand nicht mehr möglich“, begründet Allgaier (CDU). Statt des Plenums fällt jetzt der Ausschuss Beschlüsse, die sonst eigentlich nur Beschlussvorschläge fürs Gesamtgremium gewesen wären.

Knecht: Konsequenter Infektionsschutz hat Priorität

Eine wichtige Personalentscheidung fällt der Gemeinderat in Ludwigsburg wegen der Corona-Krise fürs Erste nicht: Am Mittwoch hätte er über die Nachfolge von Bürgermeisterin Gabriele Nießen entschieden. Am Montag sagte die Stadtverwaltung die Gemeinderatssitzung, in der sie eigentlich alle wichtigen anstehenden Entscheidungen konzentrieren wollte, ab. Der Bürgermeister für Stadtentwicklung, Hochbau und Liegenschaften wird zu einem späteren Zeitpunkt gewählt. „Einem konsequenten Infektionsschutz räumen wir Priorität ein“, sagt Oberbürgermeister Matthias Knecht (parteilos). Die Gesundheit gehe vor. Weil aber dringende Entscheidungen anstehen, prüft die Stadt, welche Ersatzformate dafür in Frage kommen. Alle anderen Sitzungen bis 30. April sind bereits abgesagt.

In Bietigheim-Bissingen tagen turnusgemäß erst Ende April wieder Ausschüsse, nächster Gemeinderatstermin ist am 12. Mai. „Dringende Entscheidungen kann der Oberbürgermeister nach Vorabstimmung mit den Fraktionen per Eilentscheidung treffen“, sagt Pressesprecherin Anette Hochmuth. Beschlüsse per Videokonferenz zu fassen sei mangels Beteiligung der Öffentlichkeit kommunalrechtlich nicht zulässig. „Es gibt noch die Möglichkeit des Umlaufbeschlusses, also indem eine schriftliche Vorlage an alle versandt wird“, sagt Hochmuth. Das gehe aber nur bei einfachen Angelegenheiten und erfordere die Rückmeldung und Zustimmung aller Beteiligten. Vergangene Woche tagte noch der Verwaltungsausschuss. Die zehn Mitglieder wurden weit auseinander verteilt, Desinfektionsmittel standen bereit. Jedem war die Teilnahme aber freigestellt. Damit es zügig ging, wurden Themen mit größerem Diskussionsbedarf vertagt.

Schönberger: Vorbildfunktion ist wichtig

Die Stadt Remseck am Neckar hat eine für Dienstagabend anberaumte Gemeinderatssitzung kurzfristig verschoben. Ein Ersatztermin steht noch nicht fest. Wie der Stadtsprecher Philipp Weber mitteilt, wäre die Sitzung rechtlich und aus Sicht der Verwaltung möglich gewesen. Die Räte sollten in der Gemeindehalle im Stadtteil Hochdorf zusammenkommen – dort ist mehr Platz als im beengten Saal im Neckarremser Rathaus. Die Tische wären desinfiziert worden, die Teilnehmer hätten ohne die sonst üblichen belegten Brötchen auskommen müssen. Im Licht der neuen landesweiten Verordnung war der Verwaltung die Sache aber zu brenzlig. Der Oberbürgermeister Dirk Schönberger (parteilos) begründet die Entscheidung auch mit seiner Vorbildfunktion.

In Ditzingen wurden alle Sitzungen abgesagt – und dies, obwohl drängende Themen auf der Tagesordnung stehen. Die Räte müssen zum Beispiel über die Zukunft des Schulzentrums in der Glemsaue befinden. Die Fachklassenräume für die naturwissenschaftlichen Fächer des Gymnasiums waren ausgebrannt. Möglich ist ein Wiederaufbau. Die Ditzinger haben sich nach der Absage der Sitzungen auf das schriftliche Umlaufverfahren verständigt. Ausgeschlossen sind davon laut dem Rathaussprecher Jens Schmukal jedoch Beschlüsse über Satzungen, die Wahl von Personal oder Sachverhalte, die von der Rechtsaufsicht geprüft werden müssen, wie etwa der Haushaltsplan. Der Freitag ist der Stichtag, bis zu dem alle Räte ihre im Umlaufverfahren getroffenen Entscheidungen abgegeben haben müssen. Strittige Tagesordnungspunkte sind vertagt worden, das Schulzentrum steht weiterhin auf der Tagesordnung. „Trotz dieser Maßnahmen bleiben die Gremien der Stadt Ditzingen handlungsfähig“, teilt die Verwaltung mit.

Oestringer: Auf keinen Fall etwas riskieren

In Gerlingen wurde die Gemeinderatssitzung am Mittwoch wenige Stunden vor Beginn abgesagt, stattdessen tauschten sich Räte und Verwaltung in einer Telefonkonferenz aus. 35 bis 40 Personen im Ratssaal: Das habe man nicht mehr riskieren wollen, sagt Bürgermeister Dirk Oestringer. Beschlüsse seien nicht gefasst worden, man habe über den Haushalt und die Ausschreibung der Stelle des Ersten Beigeordneten beraten. Beide Themen wurden einstimmig befürwortet. „Das ist bindend“, so Oestringer. Mit diesen Voten werde er die rechtsgültigen Beschlüsse als Bürgermeister-Eilentscheidung treffen.