Der Druck aus dem Leonhardsviertel auf die Stadt wächst. Nach einer ersten Petition wendet sich nun noch eine zweite gegen einen neuen Bebauungsplan von Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne), der die Prostitution aus dem Viertel herausdrängen will. Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle sind beide Petitionen ein Dorn im Auge.

Die Buntheit der Leonhardsvorstadt solle erhalten bleiben, beteuern im Zusammenhang mit der Internationalen Bauausstellung (IBA) 27 nahezu alle Protagonisten. Doch an der Rotlichtmeile scheiden sich die Geister. An der Vorlage eines neuen Bebauungsplans und die darin vorgesehene Verdrängung der Prostitution wächst der Widerstand. Bereits vor drei Monaten ging eine erste Petition online, vor knapp zwei Wochen dann eine zweite mit doppelter Resonanz. Und das alles zum Unverständnis der Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle (Grüne). Unverhohlen äußert sie Unmut gegen beide Petitionen: „Das demokratische Instrument der Petitionen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt vollkommen unangemessen. Es sind noch lange nicht alle Argumente ausgetauscht. Ein Beschluss ist vor Sommer nicht zu erwarten.“

 

Schon die erste Petition war ihr ein Dorn im Auge. Nun also die zweite – ausgerechnet von dem Mann, mit dem sie sich vor dem Landgericht stritt: John Heer. Der Mann ist Unternehmer in der Bau- und Immobilienbranche, Inhaber zweier Bordelle und einer Table-Dance-Bar im Viertel. Er ist das Gesicht der neuen Petition. Er hat sie auf den Weg gebracht und zeigt sich zufrieden: „Bereits nach vier Tagen hatten wir über 500 Unterschriften. Mehr als die erste Petition bis heute.“ Das von ihm aufgesetzte Schreiben richtet sich noch entschiedener als die erste Petition gegen die Mitte November vergangenen Jahres erstellte Beschlussvorlage für einen neuen Bebauungsplan, gezeichnet von Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) und mehreren Referaten der Stadtverwaltung. Pätzolds Plan sieht vor, dass im Viertel Wohnraum geschaffen und Prostitution herausgedrängt wird.

Neue Petition mit 500 Unterschriften zum Start

Die neue Petition nutzt das Online-Portal „openpetition.de“. John Heers Konterfei und Name sind dort zu sehen. Doch Heer möchte nicht als alleiniger Initiator, ja noch nicht einmal als Wortführer verstanden werden: „Die erste Petition war anonymisiert. Das Portal unserer Petition verlangt Transparenz und damit die Nennung eines Verantwortlichen. Da hieß es: ,John, mach Du das!‘ Es sind aber auch andere aus dem Viertel beteiligt.“ Heer nennt unter anderen die Wirte Patrick Witzig und Andreas Schuster (Foufou) sowie Renee Tackenberg (Holzacker). Sie alle wenden sich sich gegen die Pläne der Stadt und die im ersten Versuch Anfang Dezember im Bezirksbeirat gescheiterte Beschlussvorlage. Derzeit durchläuft die Novelle des Bebauungsplanes diverse Gremien. Auch Heinrich Huth, Bezirksbeirat (SPD), Vorsitzender des Leonhardsvorstadt-Vereins und Wirt der Kneipe Jakob-Stube im Viertel formulierte damals direkt seine Bedenken: „Wenn ich höre, dass das Viertel von weiten Kreisen der Bevölkerung gemieden wird, wie es im Plan heißt, wird es mir ganz anders. Wir gehören ja auch zur Bevölkerung und leben hier. Die Stadt spricht nicht mit uns.“ Weiter sagte er: „Das Milieu bietet einen natürlichen Schutz vor Gentrifizierung.“

Kienzle kämpft gegen Rotlicht

Während sich Kienzle immer wieder als klare Gegnerin von Prostitution positioniert und John Heer Bordelle als Ausdruck von Vielfalt postuliert, vermeidet Huth hier zuviel Eindeutigkeit. Das ärgert John Heer. „Als Schutz vor zu hohen Mieten sind wir ihm gerade Recht“, sagt Heer, aber ausdrückliche Unterstützung meide Huth.

Nicht zuletzt deshalb sind Heer und seine Mitstreiter nun mit der zweiten Petition aktiv geworden. Zudem meldet sich Heer immer wieder in der Lokalpolitik zu Wort, sei es als OB-Kandidat oder als Antagonist der Bezirksvorsteherin, ebenfalls ehemalige OB-Kandidatin. Der Bordellbetreiber verklagte Kienzle kürzlich wegen ihrer Mitte Januar in einem Zeitungsinterview getätigten Aussagen. Nach einem Eilverfahren bekam Heer in einem von drei Punkten Recht: Seine Bordelle sind gewerblich als ebensolche angemeldet. Genau das aber, und nicht die Argumentation mit „gewachsener Vielfalt“ und „buntem Miteinander“, könnte sich als der alles entscheidende Hebel gegen den neuen Bebauungsplan erweisen. „Meine im Jahr 2012 erfolgten Gewerbeanmeldungen zweier Bordellbetriebe waren möglich, weil ich nachweisen konnte, dass die Immobilien bereits vor 1984 als solche genutzt wurden“, erklärt Heer. Damit konnte er sich auf den im deutschen Recht vorgesehenen Bestandsschutz berufen, der dann greift, wenn eine bestimmte Nutzung bereits vor Inkrafttreten eines anders lautenden Bebauungsplans und seitdem ununterbrochen stattgefunden hat. Zwar regele der Bebauungsplan als rechtsverbindliches, gemeinderatliches Instrument die Nutzung von Grundstücken eines Quartiers oder einer Gemarkung. Er könne aber nicht eine früher etablierte und baurechtmäßige Nutzung aufheben: „Hier kann sich die Stadt im Zweifelsfall auf einen Rechtsstreit von gut 15 Jahren gefasst machen“, droht Heer an.

Fortsetzung folgt: Am kommenden Montag tagt der Bezirksbeirat öffentlich. John Heer wird dabei sein.