Die Stadt kontra Bürger wird zur Fortsetzungsgeschichte: Nach einer Bank und Pflanzenkübeln ist es jetzt ein Parklet, das entfernt werden soll. Lokalpolitiker kritisieren daher das Ordnungsamt scharf.

Stuttgart - Gerhard Wollnitz ist so etwas wie ein Pionier. Schon vor Jahren formulierte er das Ziel, „die Straßen wieder für die Kinder zu öffnen. Ihnen haben wir diesen Spielraum gestohlen“. Mit wir meinte er die Autofahrer. Also entwickelte er „Das kleine Parkraumwunder“. Eine mobile Sitzgelegenheit, auch Parklet genannt, das der Straßenverkehrsordnung (StVO) ein Schnippchen schlägt. Weil das Parklet Räder hat und wie ein Handkarren mit Muskelkraft von A nach B gezogen werden kann, darf es laut StVO auch auf öffentlichen Flächen parken. Ganz ohne Gebühren.

 

Nun haben Stuttgarter an der Bismarckstraße dieses Modell kopiert. Offenbar sehr zum Ärger der Nachbarn, die im Westen nur schwer einen Parkplatz finden. „Offensichtlich wurde durch die Anzeige eines Nachbarn Polizei und Ordnungsamt auf den Plan gerufen, die uns mit drakonischen Zwangsmaßnahmen einschüchtern und unsere Hinweise, dass es sich bei unserem Fahrzeug um einen Wagen mit Rädern handelt, schlichtweg ignorieren“, klagt Peter Haury. Denn die Beamten haben auf den Verweis auf die StVO das Parklet fotografiert, aber in der Sache brachte das nichts. Man habe einfach alles unter den Tisch fallen lassen, was für die Benutzung des Parklets sprach, erklärt Haury und versteht die Stadt Stuttgart nicht.

Bürger spricht von Kriminalisierung

Zum Hintergrund erklärt er: „Natürlich brauchen wir den Wagen für gelegentliche Transporte.“ Aber wenn das Parklet vor der Hofeinfahrt parke, sei es auch eine Einladung an die Nachbarn, es gemeinschaftlich zu nutzen. In der Nachbarschaft sei die Sache „sehr gut angekommen“, weiß Peter Haury: „Von daher ist uns die Kriminalisierung durch Polizei und Amt nicht verständlich und wir bemühen uns derzeit um Unterstützung aus der lokalen Politik.“ Die hat er nun. „Die kleinliche Betrachtungsweise auf gute Initiativen aus den Quartieren geht offenbar unvermindert weiter“, poltert Hannes Rockenbauch, Fraktionssprecher des Linksbündnisses um SÖS und die Linke, „diesmal hat es einen Handwagen im Stuttgarter Westen getroffen“. Offensichtlich sieht der Stadtrat darin eine Serie von bürgerfeindlichem Gebaren des Ordnungsamts. Zuletzt sind die Mitarbeiter der Behörde gegen eine Sitzbank an der Seyfferstraße vorgegangen, dann gegen Pflanzenkübel in der Wagnerstraße. „Wenn Anwohner für Begrünung und lebenswerte Nachbarschaften sorgen, dann kann es nicht sein, dass das Ordnungsamt hier so kleinlich dazwischen geht“, erklärt Rockenbauchs Fraktionskollege Luigi Pantisano: „Ich frage mich, ob das Ordnungsamt nichts Besseres zu tun hat, als Bürger, die ihre Stadt verschönern wollen, mit Verboten und Bußgeldern zu überziehen.“

Es geht um juristische Feinheiten

Rockenbauch ist zudem der Ansicht, dass das Ordnungsamt im vorliegenden Fall gar keine rechtliche Handhabe habe, da es sich um einen Handwagen handele. „Es ist nicht das einzige derartige Gefährt“, sagt Hannes Rockenbauch mit Blick auf das „Kleine Parkraumwunder“ von Gerhard Wollnitz, welches seit Jahren in Stuttgart für Lebensqualität an wechselnden Aufenthaltsorten auf öffentlichen Parkplätzen sorge. Fazit des Linksbündnisses: Nachbarschaftsbänkle, Pflanzkübel und jetzt Handwagen – alles verboten. „Die Verwaltung erlaubt sich, im öffentlichen Raum immer mehr Dinge zu platzieren: Kraftgeräte auf dem Kronprinzplatz, die nutzlose Mooswand in der Esslinger Straße. Aber wenn die Bürger selbst aktiv werden und wirkungsvolle und sinnvolle Dinge in den öffentlichen Raum stellen, dann greift das Ordnungsamt unverhältnismäßig durch. Das muss sich dringend ändern“, meint Luigi Pantisano und geht noch weiter: „Wir beobachten, dass zudem zunehmend Luftfilteranlagen, Schaltkästen und Ladesäulen im öffentlichen Raum aufgestellt werden. Da kann es nicht sein, dass wenn Bürger etwas Raum zurückerobern, sofort das Ordnungsamt eingreift und sie zurückpfeift“, ergänzt Hannes Rockenbauch. Denn Fahrzeuge – und dieser Handwagen in der Bismarckstraße 52 sei ein solches Fahrzeug – dürften nicht auf Gehwegen stehen, sondern müssten auf Parkplätzen abgestellt werden. Nicht zuletzt deshalb müsse das Amt die Bußgeldverfahren einstellen.

Das sieht die Stadt jedoch ganz anders. Auf Anfrage teilte ein Sprecher mit: „Die Installation ist nicht als Handwagen einzuordnen; sie dient offensichtlich nicht dem Transport. Der Paragraf 25 StVO umfasst zudem ausschließlich das Führen der genannten Fahrzeuge/Gegenstände und nicht das Abstellen. Das Abstellen unzureichend beleuchteter Gegenstände auf der Fahrbahn stellt eine Gefährdung für die Teilnehmer des Straßenverkehrs dar. Paragraf 32 StVO subsumiert dies unter Hindernissen auf der Fahrbahn. Daher ist der bestehende Aufbau nicht genehmigungsfähig.“

Für Peter Haury ist das ein Schlag ins Kontor. Denn seit Mittwoch ist das Ultimatum der Stadt, den Wagen zu entfernen, abgelaufen. Aber die Stadt hat gleichzeitig für diesen Montag ein Gesprächsangebot gemacht. Nun hofft Haury auf ein gutes Ende. Fortsetzung folgt.