Nur Ludwigsburg und Esslingen haben landesweit das Potenzial, in absehbarer Zeit 100 000 Einwohner zu erreichen. Was würde das für die Kommune bedeuten?

Ludwigsburg - Neun Großstädte gibt es im Land – per Definition sind das Kommunen mit mehr als 100 000 Einwohnern. Stuttgart ist die mit Abstand größte, Reutlingen die kleinste in dieser Kategorie. Zwei Städte sind unmittelbar unterhalb dieser Marke: Ludwigsburg und Esslingen. Wobei die Barockstadt seit 2011 knapp die Nase vorn hat – weil sie durch die groß angelegte Zensus-Erhebung weniger Einwohner verloren hat. Nach Esslingen folgen mit Abstand Tübingen (85 000), Villingen-Schwenningen (83 000) und Konstanz mit 81 000 Seelen.

 

Stellt sich die Frage: Soll Ludwigsburg aktiv den Status einer Großstadt anstreben? Oder gar, wenn die 100 000 Bürger erreicht sind, kreisfreie Stadt werden, als eine von bislang nur 107 Kommunen bundesweit? Zumindest Letzteres ist politisch derzeit nicht gewollt. „Wir setzen auf Kooperation mit dem Landkreis und den Nachbarkommunen“, betont der OB Werner Spec. Anders als in Reutlingen, das seit 1988 Großstadt ist und derzeit eine „Auskreisung“ betreibt, will Ludwigsburg keinen Alleingang. Spec will auch die 100 000 nicht explizit als „quantitatives Ziel“ festsetzen. Allerdings verfolgen er und sein Sozialbürgermeister Konrad Seigfried ehrgeizige Ausbauziele.

Potenzial für 3500 neue Wohneinheiten

So hat Spec kürzlich das Ziel von 500 neuen Wohnungen pro Jahr vorgegeben, und Seigfried listet in einer Analyse Potenzial für 3500 neue Wohneinheiten auf, die in den nächsten Jahren errichtet werden könnten. Etwa im Fuchshof, auf den Neckarterrassen in Neckarweihingen und am Ortsrand von Oßweil. Zudem sollen Baulücken geschlossen und weitere Etagen auf bestehende Gebäude aufgestockt werden. Spec betont, dass die Entwicklung nachhaltig, ökologisch und sozial verträglich sein soll: „Der Zuzug neuer Bewohner könnte die sozialen Systeme stärken.“ Dass auf diesem Weg die 100 000er-Marke geknackt wird, hält der OB dabei durchaus für möglich.

Im Gemeinderat herrscht allerdings eine gewisse Skepsis vor – von der CDU bis hin zu den Grünen äußern sich die Fraktionschefs zurückhaltend, wenn es um neues Bauland geht, vor allem in den Grünzonen um die Stadt. Wobei man sich in diesen Gremien einig ist, dass die riesige Nachfrage gedeckt werden müsse. „In der Metropolregion Stuttgart wird bis 2030 mit 130 000 zusätzlichen Einwohnern gerechnet“, sagt Konrad Seigfried. Die würden nicht im Schwäbischen Wald entstehen, sondern eher in Stuttgart und Ludwigsburg. Was aber würde der Großstadt-Status für Ludwigsburg bedeuten? Norbert Brugger, Referent beim Städtetag, spricht von einem „informellen“ Status, wenn mehr als 100 000 Menschen in einer Stadt leben.

Höhere Zuschüsse beim Finanzausgleich

Allein dadurch gibt es höhere Zuschüsse beim Finanzausgleich – weil davon ausgegangen wird, dass die Stadt auch für das Umland Aufgaben wahrnimmt. „Die gefühlte Bedeutung und öffentliche Wahrnehmung wäre natürlich größer“, räumt Norbert Brugger ein. Zusätzliche Einrichtungen muss die Stadt deswegen nicht vorhalten, zumindest ist das nicht formal vorgeschrieben. Allerdings müssen mehr Kindergärten oder Schulen gebaut werden – und das Verkehrssystem angepasst werden.

Formell würde sich also wenig ändern – das wäre erst der Fall, wenn Ludwigsburg zum Stadtkreis würde. Dann müsste man aber auch Aufgaben wie Krankenhäuser, Berufsschulen und Müllabfuhr übernehmen. Das wäre allerdings ein großer Akt, wie Kim Dunklau-Fox betont, die Sprecherin des Innenministeriums: Man müsste einen Antrag stellen und der Landtag müsste dazu ein Gesetz erlassen.

Übrigens: Das Gehalt des Oberbürgermeisters würde nur minimal steigen. Er würde ab 100 000 Einwohnern von der Gehaltsstufe B 7 auf B 8 höhergestuft – das macht gerade mal 500 Euro im Monat aus.