Nach der Ehrenbürgerwürde wird dem ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg die Patronsehre entzogen.

Stuttgart - Es gibt in der kommunalen Politik zuweilen eher laute oder auch besonders leise Debatten. Und es gibt immer wieder Ereignisse, die ins öffentliche Scheinwerferlicht gestellt werden oder aber doch ganz bewusst lieber im Schatten der Öffentlichkeit stattfinden. Letzteres muss wohl dem jüngsten Akt in der stadthistorischen Debatte bescheinigt werden. Plötzlich ist es Fakt, dass der Namenszug des ehemaligen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg, der 1933 Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannte, nicht mehr zum Bonatz-Bau vis-à-vis schaut, auf den in Zeiten von Stuttgart 21 alle Scheinwerfer gerichtet sind. In deren Schatten hat der Hindenburgbau jetzt seinen Namen verloren.

Die LBBW Immobilien als Eigentümerin bestätigt den Abbau des dunklen Schriftzuges an der kolossalen Sandsteinfassade. Dieser sei bereits vor wenigen Wochen erfolgt, bemerkt hat es offenbar kaum einer. "Es gab bisher keine Reaktionen, die uns bekannt wären", sagt die Sprecherin des Unternehmens. Und zuvor hatte es auf die faktische Namenstilgung auch keinen Hinweis gegeben, politische Debatten freilich schon - sonst trüge der Hindenburgbau noch heute seien Namen. "Wir sind der Bitte der Mehrheit des Gemeinderats nachgekommen", lässt die LBBW Immobilien lapidar wissen. In den politischen Part der Demontage will man sich ganz offensichtlich lieber nicht einmischen.

OB Schuster nahm sich der Sache an


Dieser zog sich über anderthalb Jahre hin, bevor jetzt sang- und klanglos stadthistorische Fakten geschaffen wurden. Die SÖS/Linke im Gemeinderat wollte im Mai 2009 im Fahrwasser neuer Historikeranalysen den Namen Hindenburg getilgt haben, denn Hitlers Steigbügelhalter habe im Stadtbild und auf der Ehrenbürgerliste der Stadt nichts zu suchen. Stattdessen müsse der Hindenburgbau nach einer demokratischen Persönlichkeit umbenannt werden - vielleicht in Carl-von-Ossietzky-Bau oder nach Willi Bleicher oder Clara Zetkin. Zu einer Umbennennungsdebatte kam es dann aber nicht, wohl aber zu einer Aberkennungsinitiative.

Oberbürgermeister Wolfgang Schuster persönlich nahm sich der Sache an und ließ die LBBW Immobilien als Eigentümerin des Baus wissen, dass der Denkmalschutz der Entfernung des erst nach 1983 angebrachten Schriftzuges nicht entgegenstünde. Im Übrigen sei es der Stadt ein Anliegen, dass Hindenburg nicht mehr Namensgeber sei für das in den 20er Jahren erbaute, dann wieder aufgebaute und vor wenigen Jahren nochmals aufgestockte Geschäftshaus. Doch die LBBW hatte andere Sorgen, es geschah nichts am Bau, dafür schritt die politische Debatte fort und gipfelte in diesem Sommer darin, dass der Gemeinderat mit nur einer "Republikaner"- Gegenstimme die anno 1933 verliehene Ehrenbürgerwürde an Paul von Hindenburg förmlich aberkannte.

Ein neuer Name ist nicht geplant


Daraufhin fand der OB in einem zweiten Anlauf beim inzwischen neuen Vorstand der LBBW Immobilien Gehör. Jetzt wurde nur noch die Zusage zum Fakt. Blickt man vom Bonatz-Bahnhof zum Nachbarkoloss vis-à-vis, sieht man nur noch einen schmutzigen Fleck an der Fassade zwischen den Schriftzügen der größten Geschäfte im ehemaligen Hindenburgbau. "Nein, einen neuen Namen planen wir nicht", sagt Brigitte Reibenspies von der Landesbank-Tochter LBBW Immobilien. "Das Gebäude ist ja nach wie vor verortet." Und die Adresse Königstraße 2 und Arnulf-Klett-Platz 1-3 bleibe ja auch. Wann und ob das kollektive Stadtgedächtnis den Namenspatron tatsächlich tilgt, bleibt freilich abzuwarten. Und was mit den vielen anderen Hindenburgbenennungen im ganzen Land passiert, auch. Aber das wären dann wieder neue politische Debatten über den Umgang mit der historischen Vergangenheit - lautere oder auch leise.